Volltext: Der Spaßvogel 1920 (1920)

rꝛer Bahnhofswirt: „Eine Mark fünfund— 
„Sehr, sehr preiswert!“ sagte der Mi— 
nister mit erfreuter Stimme. „Wissen Sie 
was, Herr Wirt, senden Sie mir doch ein— 
mal hundert, Flaschen davon, oder sagen 
wir lieber dreihundert! Also zu eins 
fünfundsiebzig!“ 
„Sehr wohl, Ex— 
ellenz!“ dienerte der 
Virt und zwang 
sich, weiter zu lä— 
heln, so schwer es 
ihm bei dieser Ueber— 
calchung guch fiel. 
Die Gesichter des 
Bürgermeisters, des 
Kommerzienrates 
und der übrigen 
Nahesitzenden er—⸗ 
fuhren in diesem 
Augenblicke eine be— 
nerkenswerte“ Ver— 
längerung, und es 
trat eine General—⸗ 
pause ein; erst nach 
gewaltsamer Aufraf— 
fung war man in der 
dage, das heitere 
Hespräch fortzu—⸗ 
führten. 
Gleich darauf 
rollte der Zug in 
die Halle, mit dem 
der Minister seine 
Reise fortsetzen woll⸗ 
te. Se. Exzellenz. 
der sehr erfreut war, 
ich einen so vorzüg⸗ 
ichen und dabei so 
oreiswerten Wein ge— 
ichert zu haben, er— 
hob sich, und mit 
ihm sprangen die 
Teilnehmer des Fest⸗ 
ohies wie elektri⸗ 
iert auf.— 
Ein Beamter öfftf 
nete das Abteil 1. Klasse mit einer Energie, 
als ob er den Erdball in Stücke reißen 
wollte, der Minister reichte einigen der 
Felstteilnehmer huldvoll die Hand, lächelte 
toch ein Weilchen leutselig aus dem Wa— 
genfenster heraus und fuhr davon⸗ 
Im Grunde war es die höchste Zeit 
gewesen, sagte er sich, indem er sich sehr 
iusdrudsvoll seines Taschentuches bediente. 
döflichkeitshalber hatte er die Herren bit— 
ten müssen, zu rauchen, und trotz aller 
Ehrerbietung hatten die Festgenossen reich— 
lich Gebrauch gemacht. 44 
Exzellenz hatte, gleich seinem weiland 
Kollegen Exzellenz von Goethe eine Ab— 
neigung gegen den Tabaksgeruch und war 
daher froh, diesem entronnen zu sein. 
Das Repräsentieren hat ja — so reflel— 
tierte Exzellenz — seine Beschwerden; aus 
diesem Grunde hatte 
der Minister, der 
ohne Begleitumg 
reiste, auch den 
nächsten Stationen 
von seiner Meise 
nichts anmelden laß 
sen. Auf der näch— 
sten Station ließ er 
sich daher auch nicht 
am Fenster sehen, 
sondern saß hinter 
seiner Zeitung ver— 
borgen. 
.Im letzten Augen⸗ 
blicke vor Abgang des 
Zuges sprang nun 
noch ein Herr in das 
Abteil und nahm, 
ohne zu grüben, 
Platz; Gepäck hatte 
er nicht bei sich. 
Der Mirnister 
nahm zunächst keine 
Notiz von dem 
Fremden. Dieser, 
ein hochgewächsener, 
sehr elegant geklei— 
deter Mann in mitt⸗ 
leren Jahren, zog 
die Handschuhe von 
einer mit koftbaren 
ingen geschmückten 
Hand — und zün— 
dete sich eine Zi— 
garre an. 
Jetzt interessierte 
sich der Minister in 
I hohem Maße für 
seinen Mitreisenden, wenn auch in einen 
nicht gerade sympathischen Sinne. Er warf 
hm einen rügenden Blich zu, jedoch ohne 
Erfolg, da sich der Fremde ebenfalls in 
eine Zaituns vertieft hatte.— 
„Mein Herr,“ sagte ackt der Mini⸗ 
ster sehr ernst, „das Rauchen ist in cin 
Klasse nur mit Zustimmung der Mitreisen— 
den gestattet!!!!!! — 
Mas herrliche Gut der Seelenruhe schien 
nun dem Fremden in hohem Maße eigen 
— —— 
„Sagen, Sie mal, lieber Herr Wirt,“ 
wandte sich der Minister mit jovialer Miene 
an den Hocherfreuten, was trinken wir denn 
da für ein Weinchen?“
	        
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