Volltext: Der Naturarzt 1896 (1896)

277 
Sind nun aber Baubuden vorhanden*), so können die Arbeiter 
wenigstens diejenigen Kleidungsstücke, deren sie sich bei der Arbeit 
entledigen, und ebenso ihr Brot und die sonstigen mitgebrachten 
Lebensmittel vor dem Staub und Schmutz schützen. Das Verschleppen 
des Staubes in die Wohnungen würde also nicht stattfinden, da sich 
dann schliesslich die Arbeiter vor dem Nachhausegehen völlig um 
kleiden könnten. Und wären Baubuden vorhanden, so könnte auch 
in hinreichender Weise für Waschgelegenheit gesorgt werden. 
Es kommt doch namentlich im Frühjahr und Herbst häufig 
genug vor, dass es tagelang mit geringen Unterbrechungen regnet. 
Wenn es nun nicht „gar zu toll“ kommt, dann wird die Arbeit nicht 
unterbrochen, sondern es wird durchgearbeitet. Erstlich mal, nament 
lich wenn die Arbeit drängt, sieht es der Unternehmer nicht gern, 
wenn „wegen ein paar Tropfen Kegen“ aufgehört wird, und anderer 
seits sind auch die Arbeiter wirtschaftlich so gestellt, dass sie einen 
Ausfall am Lohne nur ungern ertragen. Es sind durchweg Saison 
arbeiter, welche sich darauf berufen, dass sie „im Winter Zeit haben, 
zu feiern“. Ausserdem fehlt den meisten Arbeitern auch die Ei> 
kenntnis für ihr gesundheitsschädigendes Verhalten, da man ihr Wissen 
in der Schule ja nicht mit Gesundheitslehre beschwert hat. 
Haben nun solche Arbeiter bei derartigem Wetter bis zum 
Abend durchgearbeitet, so sind sie dann natürlich rechtschaffen durch 
geweicht, sie haben keinen trockenen Faden mehr auf dem Leibe, 
oder aber, falls es schon im Laufe des Tages aufgehört hat zu regnen, 
die nassen Kleider sind schon wieder auf dem Körper getrocknet. 
Unter solchen Umständen gewährt es doch den Arbeitern eine 
kleine Wohlthat, wenn sie wenigstens sofort nach beendeter Arbeit 
oder nach eingetretenem Witterungswechsel die nassen Kleider mit 
trockenen vertauschen, also sich umziehen könnten! Aber wo soll 
denn die Möglichkeit zum Umziehen herkommen, wenn überhaupt 
keine Baubuden vorhanden sind? Und leider ist dieser Zustand der 
vorherrschende, „normale“!**) Im Gegenteil. Diejenigen Kleidungs 
stücke, welche bei der Arbeit abgelegt wurden, sind in den meisten 
Fällen auch noch beschmutzt und durchnässt worden. Denn oft genug 
passiert es noch, wenn die Arbeiter ihre Sachen in einem Hausflur 
unterbringen wollen, dass sie damit hinausgewiesen werden. Jeden 
falls sieht kein Mensch „den Trödel“ gern in seinem Hause. Allen 
falls also können die Arbeiter, wenigstens die besser bezahlten, ihre 
Sachen in einer Kestauration zur Aufbewahrung lassen. 
Hat nun aber der Arbeiter die nassen Kleidungsstücke stunden 
lang auf dem Körper herumgeschleppt, so ist die nächste Folge, dass 
die Hautausdünstung und Stoffwechsel vollständig unterdrückt werden. 
Die weiteren, daraus entspringenden Folgen möge eine berufenere 
Feder, als die mehlige, schildern. Bemerken will ich nur noch, dass 
*) In Hamburg ist das zum Glück auf jedem grösseren Strassenbau der Fall. 
**) Ein sehr bekannter Berliner Unternehmer rühmte sich, zur Zeit über 400 
Arbeiter auf ca. 30 Baustellen zu beschäftigen. Dabei nannte der Herr an Baubuden 
— drei Stück sein eigen! Jede derselben bot bei weisester Ausnutzung Platz für 
10—12 Mann. Dabei werden auf dem Bau, auf welchem auch ich arbeitete, über 80 
Menschen ständig beschäftigt. Von dem Arbeitsführer eines Tages darauf aufmerksam 
gemacht, dass das Dach der Bude undicht sei und die Kleidungsstücke der Arbeiter 
aass würden, erklärte der Herr wörtlich: „Das Ding ist doch nicht zum wohnen I“ —
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.