Volltext: Der Naturarzt 1892 (1892)

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Von meiner Studienreise. 
Dr. med. E. Körner, Breslau. 
(Schluß.) 
Neben den eben besprochenen Heilfaktoren werden innerlich von Kneipp 
(aber entfernt nicht so oft, wie es gewöhnlich angenommen wird, und zu welcher 
Meinung die „Wasserkur" den Leser verleitet) Arzneimittel van Kräutern — 
in Theeform verordnet, welche aber nicht als selbständiger Faktor auftreten, 
sondern nur unterstützend der anderen Kur zur Seite stehen sollen. 
Einiger Heilmittel ist noch Erwähnung zu thun, welche beim Arzt einen 
merkwürdigen Eindruck hervorrufen. Nach Kneipp werden nämlich offene, 
alte Geschwüre, wie sie z. B. hauptsächlich bet sog. bösen Beinen vorkommen, 
bösartige Hautausschläge rc. neben der allgemeinen Behandlung auch lokal in 
Angriff genommen, und zwar durch Auflegen von Topfcnkäse, d. i. nach unseren 
Begriffen Weichquarg mit Milch zu einem Brei angemacht, oder durch einen 
salbenarttgen Lehmumschlag, dem etwas Essig beigefügt ist. Ich sah haupt 
sächlich bei Lupus im Gesicht ganz frappante Erfolge. Ob diese aber nicht 
Folge der Allgemeinbehandlung sind — den oben ausgesprochenen Grundsätzen 
gemäß — müßte erst durch sorgfältige Proben erwiesen werden —, indem 
man die Patienten eine Zeitlang nur allgemein und dann wieder nur lokal 
behandelte. Wie sollten auch derlei Breiumschläge anders als unsere feuchten 
Compreffen und Umschläge wirken? Nur ein Kindergemüt kann an eine Heil 
kraft in Quarg und Lehm glauben. 
Endlich ist noch des Zuckers und des Honigs bei Augenkrankheiten zu 
erwähnen. Pfarrer Kneipp besitzt eine Virtuosität in dem Eindrücken des 
Zuckers in die Augen. Bei scrophulösen Bindehautkatarrhen und leichteren 
Entzündungen sah ich ganz augenscheinliche Erfolge; ob sie aber ebenfalls 
nicht aus Rechnung der allgemeinen Behandlung zu setzen sind, muß offene Frage 
bleiben. Jedenfalls konnte ich bei schwereren Augenleiden während meiner An 
wesenheit absolut keine Befferung, noch viel weniger Heilung konstatieren. 
Honig gilt ja ebenso wie Fenchelwaffer schon seit Anfang dieses Jahrhunderts 
als ein „gutes Augenmittel". Kneipp hat also das Überlieferte weiter benutzt. 
Was nun die Diätfrage in Wörishofen anlangt, so ist daran noch gar 
vieles auszusetzen. Wenn ein Kranker den Pfarrer fragt: „Was soll ich denn 
essen?", so wird ihm geantwortet: „Essen Sie nur tüchtrg Kraft- und Brot 
suppen, womöglich dreimal am Tage, und es wird schon wieder werden." 
Einen Unterschied zwischen guter und schlechter Verdauung kennt man dort 
nicht. Es heißt einfach: „Der Magen ist nicht krank, sondern der Körper; 
und ist dieser erst wieder gesund, dann kann auch der Magen wieder alles 
vertragen." Was aber, frage ich, soll der Kranke thun, wenn sein kranker 
Körper nicht bald Vernunft annehmen will? Soll er während dieser Zeit 
hungern? Tenn, daß nur vereinzelte Kranke mit schwachem Magen die derbe 
Kraft- und Brotsuppe verdauen können, ist wohl jedem einleuchtend, der nur 
einmal über den Chemismus der Verdauung etwas gelesen hat. 
So wenig Pfarrer Kneipp nun Gewicht auf eine gut geregelte Diät 
giebt, um so entschiedener tritt er für eine angemessene Kleidung bei Gesunden 
und Kranken ein. Man kann ihm nicht genug danken, daß er immer und 
wieder seine gewichtige Stimme gegen die unsinnigen Modethorheiten, nament 
lich der Damen — erhebt. Er verurteilt das Tragen der Unterbeinkleider 
(worin ich ihm aber nicht beistimmen kann wegen der größeren Reinlichkeit), 
der vielen Unterröcke, indem er von der ganz richtigen Ansicht ausgeht, 
daß durch die Anhäufung der vielen übereinander liegenden Schichten gerade
	        
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