Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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Tiefe wirkt und sich mir als ein ausgezeichnetes Schmerzstillungsmittel 
bei den verschiedensten Krankheitszuständen bewährt hat. Das andere 
Verfahren ist von Winternitz*) angegeben und mit ausgezeichnetem Erfolge 
verwendet worden in einem Fall. in welchem allgemeine und örtliche An 
wendungsformen des Wassers, der ganze Arzneikram von Nerven- und 
Magenmitteln, beruhigenden, betäubenden und umstimmenden Mitteln, 
Opiaten und Anaestheticis innerlich und äusserlich, mechanische Kuren* 
Massage, Erschütterungen u. s. f. diätetische Verfahren und Diätkuren 
fruchtlos angewendet worden waren. Dieses hydriatische Magenmittel be 
steht ähnlich der oben bezeichneten Heiss-Wasser-Gummi-Blase in einem 
mit 40 Grad R. warmen gefüllten Kautschuk schlauch, der auf eine 
nasse Unterlage in die Magengegend zu liegen kommt. Auch bei zwei 
weiteren Kranken mit nervöser Dyspepsie und kardial gischen Anfällen, die 
schon längere Zeit fruchtlos mittelst verschiedener Kuren behandelt wurden 
hat sich das Verfahren prompt bewährt. 
Um ein einigermassen vollständiges Ganze hier zu vereinen, seien 
noch einige Vorwürfe entkräftet, welche man gegen die Reformbewegung 
in der Heilkunde erhoben hat. Man hat behauptet, diese Bestrebungen 
seien einseitig, indem sie die naturgemässe Behandlung ausschliesslich als 
die richtige bezeichnen und die arzneiliche, die nur unter besonderen Um 
ständen zu einer Vergiftung führe, vernachlässigen. Di eser Vorwurf ist 
unbegründet. Er ist unbegründet schon deshalb, weil wir eine nutz 
bringende, heilsame, virtuöse Eigenschaft der Arzneimittel gegen 
über der schädlichen, unheilvollen, virösen überhaupt nicht an 
kennen. Der Vorwurf ist ferner unbegründet, weil eine sachgemäße Be 
griffsbestimmung der Gifte, eine begründete Trennung des Begriffs „Arznei 
mittel" und „Gift" sich gar nicht feststellen lässt, und weil ferner die be 
sonderen Umstände, unter denen das Arzneimittel zum Gifte wird, 
vom Arzte nicht vorhersehbar, ganz unberechenbar sind. 
Dass das Volk selbst sich zu einer Reformbewegung in der Heil 
kunde aufgerafft hat, spricht treffend für die Notwendigkeit einer solchen 
Reform und findet in der Geschichte der Medizin zahlreiche Beispiele. Laien 
waren es, welche die verschiedenen Anwendungsformen des Wassers förderten, 
Laien waren es, welche für den Ausbau und die Verbreitung der Heil 
gymnastik und Massage wirkten. In ersterer Beziehung nenne ich hier 
nur Priessnitz, Brand, in letzterer Beziehung die Schweden Ling und 
Thüre Brandt. Umwälzungen ganz ähnlicher Art haben sich vollzogen 
in der Kulturgeschichte, und es ist einer der treffendsten Vergleiche, die 
Reformbewegung in der Heilkunde, das Gesundheitsevaugelium des Leibes 
und Lebens, zusammenzustellen mit dem Evangelium des „Nazareners“ und 
der „ungelehrten Fischer“, wie dies von Philo vom Walde in Schindlers 
Lebens) inhaltlich der schönen Einleitung geschehen, welche in treffender 
Weise die Reformbewegung in der Heilkunde kennzeichnet und begründet 
und von mir in der Zeitschrift „Gesundheit“ zum Abdruck gebracht 
worden ist. 
*) Ein neues hydriatisches Magenmittel. Yortrag, gehalten auf dem Balnco- 
logen-Kongress, Berlin, März 1891. Vgl. auch: Blätter für klinische Hydrotherapie und 
verwandte Heilmethoden, herausgegeben von Prof. Dr. Wilh. Winternitz. I. Jahrgang 
1891, Nr. 1. 
f) Josef Schindler als Nachfolger von Vinzenz Priessnitz in Gräfenberg.. 
Erinnerungen von Philo vom Walde. 2. Ausl. Berlin 1891. Verlag von Wilhelm 
Issleib (Gustav Schuhr).
	        
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