Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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Ueber Wesen, Ursachen und Entstehung, Verlauf, 
Behandlung und Verhütung der Diphtheritis. 
Von Dr. med. Martin-Meiderich a. Rhein. 
Mit dem Namen Diphtheritis belegen wir eine Krankheit, deren 
hauptsächlichstes, auch für den Laien leicht erkennbares Merkmal in dem 
Auftreten eines weissen, oft leicht gelblich, meist aber mehr grau 
gefärbten Belages auf den Mandeln, dem Gaumensegel, dem Zäpfchen und 
den weiter nach hinten gelegenen Rachenteilen besteht. Dieser Belag 
kann eine sehr verschieden grosse Ausdehnung haben, er kann die ge 
nannten Gebilde fast vollständig überziehen, kann aber auch nur verein 
zelte kleinere Flecken, oft kaum stecknadelkopfgrosse Pünktchen darstellen. 
Kleine, an denselben Stellen vorkommende Geschwürchen, welche allerdings 
nicht wie Diphtheritisflecke leicht erhaben, sondern eher etwas vertieft 
sind, ferner kleine, in den Mandeln steckende, käsige Eiterpfröpfchen 
vermögen ein ähnliches Bild zu geben und daher eine Verwechselung zu 
veranlassen; doch ist es kein folgenschwerer Irrtum, wenn ein Familien 
vater, dem es ja weniger um die genaue wissenschaftliche Feststellung der 
Krankheit, als um eine möglichst baldige Wiederherstellung seiner Ange 
hörigen zu thun ist, in allen zweifelhaften Fällen beim Auftreten eines 
Belages im Halse das Leiden als Diphtheritis auffasst und bis zur Ankunft 
eines Naturarztes seine ersten Massnahmen hiernach einrichtet. Er wird, 
auch wenn es sich um einen der genannten anderen Vorgänge handelt, 
vielleicht wohl etwas nicht unbedingt Notwendiges, nie aber etwas Falsches 
oder Schädliches gethan haben. 
Zu diesem Hauptmerkmale, dem grauweissen Belage, gesellen sich 
dann nochandere Zeichen: Schwellung der den Rachengebilden nächstgelegenen 
Drüsen, ein dunkler gefärbter, oft getrübter Urin, ein oft zwar nur leichtes, 
oft aber auch sehr hochgradiges Fieber mit allen den Begleiterscheinungen 
eines solchen, wie Müdigkeit, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen u. dergl.; 
Störungen von seiten der Magen- und Darmtbätigkeit, wie Appetitlosig 
keit, Erbrechen, Verstopfung oder Durchfall pflegen nur selten zu fehlen 
und gehen meist dem Auftreten des Belages bereits einige Tage voraus. 
Eine gleichzeitig mit dem Belage sich einstellende geringere oder stärkere 
Anschwellung der befallenen Teile, hauptsächlich der Mandeln, erschwert 
das Schlucken und macht dasselbe schmerzhaft; doch muss man trotzdem 
nicht erwarten, dass die Kinder durch ihre Klagen sofort die Aufmerk 
samkeit auf den Hals hinlenkten. Häufig geben dieselben an, der Mund 
thue ihnen web, oft die Zunge oder die Zähne; nicht selten klagen sie 
trotz stärkerer Mandelschwellung nur über ganz entfernte Körperteile, wie 
den Leib oder die Beine; besonders verdächtig ist die Klage über Ohren 
schmerzen, und muss diese letztere Angabe immer zu einer genauen Be 
sichtigung der Rachengebilde auffordern. Man wird überhaupt gut thun, 
bei jeder ernstlicheren Erkrankung der Kinder, wo nicht sofort ein anderes 
Leiden klar auf der Hand liegt, es sich zur Pflicht zu machen, den kleinen 
Patienten in den Mund zu sehen, wenn man sich den schwerwiegenden 
Vorwurf ersparen will, einmal eine so schlimme Krankheit wie Diphtheritis 
gänzlich übersehen zu haben. 
Im weiteren Verlaufe der Krankheit können ähnliche Beläge wie auf 
den Rachengebilden auch auf den Schleimhäuten der tieferen Teile des 
Verdauungskanals bis zu den untersten Darmabschnitten hin auftreten,
	        
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