Volltext: Der Naturarzt 1890 (1890)

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Blutkreislauf, die medizinische Inquisition und den Aberglauben in der Medizin. Herr 
Müller, seit vergangenem Herbste praktischer Naturarzt und Kurbadbesitzer, hat in unserm 
Vereine bereits zur allgemeinen Zufriedenheit so volkstümlich und fasslich gesprochen, 
dass derselbe für unsere Rednerliste empfohlen werden kann. 
(Schönheide in No. 5. D. Red.) 
Greiz (B. N. 219). Der hiesige Verein zählte am Schlüsse des ersten Geschäfts 
jahres 106 Mitglieder. Versammlungen und Vereinsabende fanden 20 statt. Vorträge 
wurden 6 gehalten und zwar der erste von Herrn Bernh. Baumann, Gera (Thema: Natur 
gemässe Gesundheitspflege und arzneilose Heilkunde), der zweite von Herrn Oberlehrer 
Eichler in Reichenbach und die folgenden von Herrn Voigt, Plauen, Herrn Hindorf (zwei > 
Abende hinter einander) und Herrn Sanitätsrat Meyner, Chemnitz. Auch steht der Verein 
mit einem praktischen Vertreter der Naturheilkuude behufs Uebersiedelung nach hier in 
Verbindung. 
Hildeslieim. Das Aufblühen der guten Sache stösst hierorts auf 
grösste Schwierigkeiten. Der hiesige Wasserheilanstalts-Besitzer Butterbrodt hat sein 
überzeugungstreues Auftreten als Impfgegner schwer büssen müssen. Seine 4 Kinder 
hatte er gegen 11 Jahre von der Impfung durch „Strafezahlen“ ferngehalten; bis ihn 
endlich der Polizeidirektor, Herr Dr. Gerland, einsperren und die Kinder polizeilich impfen 
liess, während die Mutter derselben leidend im Wochenbette lag. Der geimpften „Ida“ 
schworen die Nägel von den Fingern. Von Butterbrodt verklagt, wurde dem Dr. Ger 
land gerichtlich „Rechtsirrtum“ beigemessen, Butterbrodt jedoch zu Zwangsimpfung ünd 
Kosten von 166,75 Mark verurteilt. In der Beschwerde Butterbrodt's an den Minister 
wurden mehrere Worte als „beleidigend für Dr. Gerland“ erachtet, und Butterbrodt erlitt 
abermalige Verurteilung zu 5 Wochen Gefängnis und 821.25 Mk. Kosten, nachdem zuvor 
noch der Versuch gemacht worden, den Butterbrodt als „geisteskrank“ zu erklären. 
Butterbrodt hat alle Strafen heldenmütig verbüsst und wirkt trotz seines hohen Alters 
rüstig weiter für Aufklärung und Menschenrecht. — Näheres darüber besagt das Buch: 
„Das Reichsimpfgesetz und die Polizeibehörde zu Hildesheim“ von Rechtsanwalt 
-H. Martini. Verlag von Scholz, Leipzig. (Man ersieht aus diesen bedauernswerten That 
sachen: Gesetz ist Gesetz! Es steht uns kein arideres Recht zu als: aufklärend zu 
wirken und Bittschriften zu erlassen, damit dieses Gesetz baldigst aufgehoben werde. 
Dem jetzt gegründeten Impfgegner-Verein beizutreten, sind unsre Gesinnungsgenossen 
gewiss in erster Reihe berufen. Leider aber hören wir, dass darin unerwartete Lässig 
keit herrscht. D. Red.) 
Dresden. Der hiesige Impfzwanggegner-Verein hatte für den 15. Februar 
eine öffentliche Versammlung in den Trianon berufen, welche von mehr als 1000 Personen 
besucht war. Herr Dr. med. M. Böhm sprach in gewohnter gewandter Weise und dabei scharf 
und packend über die gesundheitliche Seite der Impffrage, worauf Herr Rechtsanwalt 
Martini-Leipzig klar und schneidig die rechtliche und sittliche Seite derselben behandelte. 
Für die Leser des Naturarztes hiesse es wohl Eulen nach Athen tragen, wollten wir hier 
an der Hand des ersten Vortrages ausführen, dass die Impfung gegen die Pocken nicht 
schützt, also ihren Zweck verfehlt, ja, dass sie sogar neue schwere Gefahren schafft, wie 
auch die reichsamtlichen Mitteilungen über die Impfschädigungen in den Jahren 1886 und 
1887 zugestehen müssen. 1500 Erkrankungen mit 55 Todesfällen in den genannten beiden 
Jahren sind in Ziffern ausgedrückt; mindestens eben so viele Fälle stecken in den mehr 
als 50 allgemeinen Ausdrücken, wie: grosse Anzahl von Fällen, bei vielen Kindern, aus 
17 Medizinalbezirken berichtet incl. 6 Bezirke mit 63 Fällen, von vier Aerzten beobachtet 
etc. Wenn aber die Impfärzte selber Tausende von Impfschädigungen jährlich erfahren 
haben bezw. zugestehen, so kann man bestimmt annehmen, dass dieselben jährlich Zehn 
tausende betragen. Der zweite Redner erinnerte noch daran, dass die Impfstatistik, durch 
welche allein die Impfer den Impfschutz zu beweisen suchten und noch suchen, keinen 
Schuss Pulver wert sei. Auf alledem fassend, zeigte er dann, dass dem Impfzwange 
aller Rechtsboden fehle. Die Berechtigung zur Ausübung des Zwanges hat zwei uner 
lässliche Vorbedingungen: 1. Der Impfschutz muss über jeden Zweifel erhaben sein, 
2. dieser Zweck muss erreicht werden, ohne dass die Impfung nach anderer Seile hin den 
Organismus schädigt. Da beide Vorbedingungen fehlen, so ist der Zwang völlig unbe 
rechtigt. Und wie sehr muss es erbittern, wenn gewissenhafte Eltern, welche die Gefahren * 
der Impfung kennen, dennoch gezwungen werden, selber ihre Kinder dem Impfarzt auszu 
liefern! — Der reiche Beifall, welchen beide Redner ernteten, war wohlverdient. Von 
den anwesenden impffreundlichen Aerzten nahm in der anschliessenden Rede keiner das 
Wort; sie würden dies wohl nicht versäumt haben, wenn sie den Ausführungen der Redner 
etwas Triftiges hätten entgegensetzen können. Pie Versammlung genehmigte schliesslich 
eine vorgelesene Bittschrift um Abschaffung des Impfzwanges. Ueber 100 Personen hatten 
auf den ausliegenden Meideblättern ihren Beitritt zum Vereine erklärt. — Nun gilt es, 
allerorten Bittschriften um Aufhebung des Impfzwanges an den neuen Reichstag zum Unter 
schreiben in Umlauf zu setzen!
	        
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