Volltext: Der Naturarzt 1890 (1890)

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Prießnitz nicht der Vater der Wasserheilkunde ist, und daß den Naturärzten, die ja nur 
schablonenmäßig behandeln, die Fähigkeit, zu kurieren, abzusprechen sei. — Was Prießnitz 
angeht, so wird er schon Wasser-Vater (trotz Hippvkrates und Hahn!) bleiben, ganz ebenso, 
wie z. B. Berthold Schwarz als Pulver-Erfinder und Martin Luther als Bibel-Uebersetzer. 
Was die Laien-Naturärzte angeht, muß beton: werden, daß die „Approbierten", welche sich 
jetzt austs hohe Roß setzen, denselben ja vorerst alles, und vielleicht auch noch nicht alles! 
abgelernt haben. „Der Schüler aber wird nie über den Meister sein." Nur das persön 
liche Geschick entscheidet beim Arzte, nie aber Vielwisserei allein und ein patentierter Titel. 
Hydrotherapie für Aerzte von Dr. med. Schilling. Neuwied. Heusers Verlag. 
Gelehrter Jargon, viel Altes, nichts Neues) medizinische Anschauung. 
Lehrbuch der schwedischen Heilgymnastik von Profcssor Hartelius. Deutsch von Dr. 
Jürgensen und Sanitätsrat Dr. Preller. Mit 97 Textabbildungen. Verlag von H. Grieben 
in Leipzig. Preis 4 M. Ein herrliches Werk, das alle bisherigen Werke gleicher Gattung 
übertrifft. Die Einleitung von Sanitätsrat Dr. Preller in Ilmenau steht voll und ganz 
auf dem Boden unserer naturheilkundlichen Bestrebung und ruft der medizinischen Schule 
ernste, herbe Worte zu. Jeder Naturarzt und Jeder, der die Heilgymnastik in ihren großen 
Erfolgen kennen lernen will, muß dies umfangreiche Werk studieren. 
Das Grahambrot von Johann Koffer. Wien. Rudolf Lechners Universitätsbuch- 
handlung. Die Bedeutung des Grahambrotes als Nährmittel ist hierin überzeugend klarge 
legt. Das Büchlein ist sehr zu empfeblen. besonders allen Verdauungsleidenden. 
Liederbuch für Aerzte und Naturforscher von Dr. med. Korb-Döbeln. Hamburg. 
Gebrüder Lüdeking. Für Naturärzte, außer den alldeutschen Liederperlen, wenig Singerliches 
darin; es sei denn, man nimmt die „humorvollen" Selbstbekenntnisse als vollen Ernst aus! 
Die Zuckeryarnruhr von Dr. med. Emil Schnee. Stuttgart. Süddeutsches Verlags- 
Institut. Ein wissenschaftliches Werk von einem Fachmanne, das sich fast ganz auf die natur 
gemäße Behandlungsweise stützt. Empfehlenswert. Philo vom Walde. 
Medizinärzte und Volk,*) 
Von Professor H. Mund in Hannover. 
Wer hat die meiste Schuld, dass die Naturheilkunde noch nicht tiefer in das Volk 
gedrungen ist, die Medizinärzte oder das Volk selbst? Ich bin der Meinung, dass die 
Menge mehr Schuld hat als die Medizinärzte. Wohl mag es den letzteren schwer werden, 
Glaubenssätze, welche ihnen während der Studienzeit in Fleisch und Blut übergegangen 
sind, aufzugeben, aber ich glaube doch und habe es auch mehrfach beobachtet, dass 
bereits manche Medizinärzte, freilich nicht alle, welche wahrscheinlich durch Misserfolge 
mit Arzneien stutzig geworden sind, ihre Beceptklexerei gern auf ein Geringes beschränken 
und in vielen Fällen lieber einen Leih- oder Brustumschlag verordnen würden, wenn es 
die Menschen nur machten! — Mit vollem Recht reden daher die Vertreter der Natur 
heilkunde schonungslos über die heilkundlichen Eingriffe der Mediziner mit beständig 
wechselnden Arzneien; aber mit ganz demselben Rechte liesse sich auch die Dummheit 
der grossen Masse, genannt Publikum, an den Pranger stellen. Als ich in früheren 
Jahren die Naturheilkunde nur in meiner Familie ausübte, war auch ich der Meinung, 
dass an dem Unglück in andern Häusern nur die Medizinärzte schuld seien, seitdem ich 
aber auch durch mehrere gelungene Kuren in den letzten Jahren häufig zu Kranken, 
meistens nur Schwerkranken, gerufen wurde, denke ich etwas anders über die Sache. Es 
kommen mir häufig Fälle vor, wo ich mit Vorurteil, Aberglauben, Dummheit und Bequem 
lichkeit mehr zu kämpfen habe,-als mit der Krankheit selbst. Ist die Gefahr bereits auf 
das Höchste gestiegen, dann sind die Kranken und deren Angehörigen freilich zu allem 
bereit, lauert aber der Tod noch in einiger Entfernung, dann werden umständliche Hand 
habungen, von deren grossem Wert die Leute nicht so leicht zu überzeugen sind, gar zu 
gern vermieden, und kann man dann nicht mit Wenigem die Krankheit bannen, dann 
heisst es: An der Naturheilkunde ist auch nichts! .Die ewig wahren und unabänderlichen 
Naturgesetze erkennen, begreifen, dass" eine Krankheit, welche durch jahrelange grobe 
Verstösse gegen die Gesundheitslehre entstanden, vielleicht sogar schon von den Eltern 
geerbt ist, nun aüch dementsprechend Zeit zur Heilung bedarf, dass die Diät allein schon 
ein bedeutender Heillaktor ist: dieses können die meisten Menschen nicht, oder wollen es 
nicht verstehen. Andere reden auch klug und weise über Lüftung und Reinlichkeit, da 
bei stinken ihre Räume aber doch, und die Reinlichkeit ist sehr zweifelhafter Art; macht 
man darauf aufmerksam, wird es auch wohl noch übel genommen. Man sehe nur in den 
Tageshlättern die vielen Ankündigungen von Pillen, Pulvern und sonstigen Geheimmitteln. 
Sicher würden diese Geheimmittelschwindler und Spekulationsschriftsteller ihre teure 
'*) Einem gegenteiligen Aufsatze gäbe die Redaktion auch gern Raum, zumal die 
selbe selbst anderer Ansicht ist. D. Red.
	        
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