Volltext: Der Naturarzt 1890 (1890)

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Jahren plötzlich von einer völligen Lähmung beider Beine befallen wurde, nachdem es 
zuvor schon einige Zeit krank gewesen war; auch diese Kranke wurde der Anstalt in 
einer sehr kläglichen Verfassung zugeführt und wäre sicherlich zu Grunde gegangen, wenn 
nicht zur rechten Zeit die arzneilose Heil weise an die Stelle der medikamentösen getreten 
wäre. Bei der Untersuchung ergab sich Folgendes: Starke, winkelige Ausbiegung der 
Wirbelsäule nach hinten im Bereiche der mittleren Brustwirbel, welche angeblich erst 
bei Gelegenheit der ersterwähnten Erkrankung ganz unmerklich entstanden ist; in der 
rechten Bauchseite in Höhe des Nabels eine in der Tiefe liegende, glatte, runde, etwas 
bewegliche, hühnereigrosse Geschwulst; im übrigen trockene, gelbliche Haut, belegte 
Zunge, schlechter Ernährungszustand, hartnäckige Stuhlverstopfung bei zum Teil unwill 
kürlicher Entleerung. Harnträufeln, vollständige Lähmung und Unbeweglichkeit beider 
Beine mit herabgesetztem Empfindungsvermögen in denselben. Der Dickdarm war allent 
halben mit harten, höckerigen Kotmassen stark angefüllt, trotzdem die Kranke schon 
längere Zeit hindurch starke Abführmittel gebraucht hatte. Es handelte sich hier zweifellos 
um eine > Drucklähmung, entstanden durch Zusammenknicken der Wirbelsäule infolge 
von Zerstörung eines oder mehrerer Brustwirbelkörper mit Eitersenkung, welche bereits 
sich bis in das Becken erstreckte und die Bewegungslosigkeit der Beine, sowie di® 
lähmungsartige Schwäche von Blase und Mastdarm bedingte. Wenn die Knickung der 
Wirbelsäule und der damit verbundene Druck auf das Kückenmark hätte ausgeglichen 
werden können — und dies war nur durch Streckversuche in der Schwebe durch die 
eigene Schwere des Körpers zu bewerkstelligen, — so wäre damit die Lähmung der Bein« 
behoben worden. Dies ist leider nicht gelungen, trotzdem ist der Kurerfolg auch in diesem 
Falle immerhin nicht zu unterschätzen, denn die Weiterbildung des Senkungsabcesses, der 
im gewöhnlichen Lauf der Dinge schliesslich unter die äussere Haut aus der Leibeshöhl« 
hinausdrängt und dann meist in der Leistenbeuge aufbricht, um seinen eitrigen Inhalt 
fort und fort zu entleeren, ist vollständig verhindert worden, ja eine beträchtliche Ver 
kleinerung desselben durch Eindickung seines Inhalts geglückt. Ausserdem hat die Kranke 
in ihrem allgemeinen Gesundheitszustand beträchtlich gewonnen, die Verdauung hat sich 
geregelt, der Stuhlgang wurde normal durch zweckmässige Diät, sorgsame Massage und 
vor allem durch die Anwendung hoher Klystiere. Es wurden dadurch bald enorme Massen 
von eingedicktem Kot entleert, was durch gewöhnliche Klystiere nicht erreicht worden 
wäre, da dieselben alsbald infolge der gelähmten Schliessmaskeln des Afters wirkungslos 
wieder abgingen. Die hohen Klystiere haben sich auch in vielen anderen Fällen von 
hartnäckiger Stuhlverstopfung aufs Beste bewährt, während die gewöhnlichen Eingüsse oft 
nur den Mastdarm anfüllen, allmählich ihre Wirkung verlieren und nur den After reizen. 
Dies thut das hohe Klystier nicht, bei welchem vermittelst eines auf das Ansätzrohr auf 
gesteckten, festen, oben geschlossenen, mit zwei Seiten Öffnungen versehenen Gummirohres, 
welches leicht beliebig weit eingeschoben werden kann, das Wasser gerade so hoch gelangt, 
um die im Dickdarm sitzenden Massen zu erweichen, was um so besser geschieht, als 
durch ein solches Klystier wegen des vermiedenen Reizes auf die Schliessmuskeln kein 
unmittelbarer Stuhldrang erzeugt wird; es kann deshalb auch viel länger gehalten werden. 
Bei ihrer Entlassung hatte die Patientin ein frisches, blühendes Aussehen, sie war 
wohlgenährt und vor allen Abführungsmitteln in Zukunft sicher. Sie konnte mit Hilf® 
eines plastischen Filz-Corsets aufrecht sitzen. 
in. 
Schliesslich seien noch drei Fälle von Augen-Erkrankungen erwähnt, und 
zwar eine Entzündung der Regenbogenhaut syphilitischer, eine ebensolche rheumatischer 
und eine Hornhautentzündung scrophulöser Natur. Alle drei traten in sehr heftigem 
Grade mit Gefährdung des Sehvermögens auf und endeten mit vollkommener Genesung. 
Betreffs der Behandlung zeigten sich ausser der relativen Trockendiät, der mässigen Ver 
dunkelung des Zimmers, der lauen Wasserumschläge, der Augen-Bader und Douchen 
namentlich auch die Augen-Massage und die kühlen Sitzbäder mit kühlen Bleibeklystieren 
von augenscheinlichem Heilwerte, vornehmlich sind ^e Sitzbäder zu empfehlen, desgleichen 
auch die ableitenden Arm- und Bein-Packungen mit nachfolgendem Halbbade. 
Dr. med. Winchenbach. 
Vermischtes- 
Denjenigen Gesinnungsgenossen, welche mir bezüglich der neuesten Schreibereien 
des Herrn S? ...«itsrat Niemeyer ihre Entrüstung aussprachen, zur Antwort, dass olch® 
Ergüsse nicht verletzen können, weil sie nur den Urheber herabsetzen. N' jmeyer« 
„Wahrheiten“ sind „graue Salbe;“ „eingerieben, thut sie webe“, aber in ganz anderem, 
als demNiemeyer’schenSinne. Beaaueruch bleibt es im Interesse der Sache, dass ein 
Mann, der das Zeug zum Kämpfer hat, Jahr für Jahr mehr and mehr am Eigenloh uni 
am Herunterreissen Anderer, in einem Jargon, der gewissen Blättern Ehre mae ien würde, 
Genugthuung findet und dadurch die wenigen jungen Aerzte verhetz: welche
	        
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