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und Lehrer wirken, indem sie das Sandalentragen empfehlen und Letztere bei ihren
eigenen Kindern in Anwendung bringen. Man wage den Versuch. In seinem
Privatgarten kann es jeder thun, und im übrigen wären die Bäder und
Sommerfrischen der geeignetste Platz dazu, wo man es schon wagen
kann, ein wenig „aufzufallen". Besonders würde sich die Sandalen-
tr^cht für die Seebadeorte empfehlen, wo die Kinder sich jetzt am
Strande fortwährend nasse Strümpfe holen. — Jeder Schuhmacher kann auf
Bestellung solche Sandalen aus Kork oder Leder Herstellen, und sobald Nach
frage vorhanden, wird sich die Industrie des neuen Zweiges bemächtigen.
Alle Eltern, die gesunde und kräftige Kinder erziehen wollen, sollten von
diesem Vorschlag Gebrauch machen. Die Kinder werden es ihnen danken I
Das Naturheilverfahren als Retter in der Not.
Von Gustav Welcker, Frankfurt a. M.
Der Kaufmann G., 35 Jahre alt, 170 Pfd. schwer, mit scheinbar blühendem Aus
sehen, litt seit längeren Jahren an Nervenerschöpfungen unter Erscheinungen von stetem
Zittern, Kongestionen etc. — Vor zwei Jahren bekam derselbe hei einer Vereinsfestlich
keit, wobei es an Aufregungen, Trinken, Bauchen etc. nicht fehlte, einen so heftigen An
fall von mannigfaltigen nervösen Erscheinungen, dass man ihn am Orte selbst mit Eis
aufschlägen versah und nach Hause führen musste. Erst nach einigen Stunden konnte
man ihn zu Bette bringen. Ohne besondere Veranlassung, so sagte er, wiederholte sich
obiger Anfall nach einigen Tagen wieder.
Da kam denn der Kranke zu mir, um meine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Als
er jedoch hörte, was er in Zukunft zu thun und zu lassen habe, ging er zu einem Dr.
d. Med. Derselbe meinte: sein Blut sei zu dick, und er solle weniger trinken und
weniger rauchen und verschrieb ihm (zufälligder Bei he nach, wie ich es ihm vorausgesagt):
Brom-kali. Nach einigen Tagen fühlte er sich jedoch wie gelähmt. Da bekam er Chinin,
worauf er sich sehr aufgeregt fühlte, weshalb er nach einigen Tagen Antifeh rin bekam.
Sein Zustand wurde bei dieser Behandlung täglich schlimmer, und es befiel ihn eine so
grosse selische Niedergeschlagenheit, dass er seinem Berufe als Buchhalter nicht mehr
nachgehen konnte. — Während dieser 14 tägigen Behandlung hatte er 24 Pfund an Ge
wicht verloren. Da, als er eines Morgens in das Geschäft gehen wollte, bekam er unter
wegs wieder einen Anfall und nahm deshalb noch eine Dosis Antifibrin. Im Geschäft
angekommen, konnte er keine Feder mehr halten; er zitterte fürchterlich am ganzen
Körper, sein Gesicht war dunkelrot und aufgedunsen; er weinte wie ein Kind. Auf dem
Wege zu mir musste er sich öfters an den Häusern festhalten. In solch’ erschreckendem
Zustande kam er vormittags 9 Uhr bei mir an.
Auf den Kopf machte ich ihm sofort kühle Aufschläge und gab ihm ein Fussbad.
Hierauf brachte ich ihn zu Bett und gab ihm Leib- und Fusspackung, an die Füsse legte
ich eine Wärmflasche, und da sich die Leibpackung auch so schlecht erwärmte, legte ich
darauf eine Leibflasche. Erst nach einer Stunde beruhigte er sich, er hörte auf zu zittern
und schlief ein. Erst da konnte ich die kalten Aufschläge auf dem Kopf weglassen.
Als er nach 4 Stunden erwachte, gab ich iLm ein 27 0 B. Bad mit einer etwas kühleren
Abgiessung und entliess ich ihn aus meiner Wohnung.
Da sein Nervensystem übeneizt und ganz erschöpft war, so musste ich ein anhaltend
beruhigendes Verfahren mit mittlerer Temperatur und langsamem Vorgehen einschlagen.
Meine Verordnungen bestanden darin:
1. Alle geistigen Getränke und Bauchen, sowie alles, was Aufregung hervorrufen
kann, gänzlich zu unterlassen.
2. Eine mässige, mehr pflanzliche als fleischliche leichtverdauliche Diät.
3. Morgens früh eine 15—18 0 B Ganz ab Waschung.
4. Um 11 Uhr vormittags und abends vor dem Schlafengehen ein Sitzbad von
20-24« B.
5. Nachts Fuss- und Leibpackung.
Da sich der Kranke schwer erwärmte, liess ich ihm die ersten 8 Tage stets eine
Leib- und Bettflasche beigeben.
Schon nach 2 Tagen erklärte er, dass er sich so wohl fühle wie seit langer Zeit
nicht mehr.
Nun bekam er wöchentlich 2 Bettdampfbäder von U/g Stunden lang. — Darauf
folgte stets ein Ganzbad mit einer etwas kühleren Abgiessung. Ferner liess ich ihn
im stillen, abgelegenen Garten spazieren gehen und nachts bei offenem Fenster schlafen.