Volltext: Der Naturarzt 1890 (1890)

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Nachmittags halte, seinen Zweck nicht erreichen. Ich will vorausschicken, daß 
der Kranke an den Folgen einer unsinnigen Quecksilberkur leidet, mehr als an 
denen der Krankheit, gegen welche die Kur eingeleitet und lange Zeit zur Aus 
führung gebracht wurde. Namentlich ist, da jene Folgen sich immer wieder 
von neuem geltend machen, eine tiefe Gemütsverstimmung eingetreten. Diese 
hypochondrische Stimmung veranlaßte meinen Kranken, der noch am Morgen 
in Geschäften nach einer Universitätsstadt reiste, dort einen Professor aufzu 
suchen und zu beraten, der als Nervenarzt eine Berühmtheit erlangt hat. 
Meinem Kranken waren nur wenige Minuten in der Sprechstunde vergönnt. 
Nach einigen abfälligen Bemerkungen über eine Naturheilanstalt, in welcher 
der Betreffende auf meinen Rat einige Wochen zugebracht, erhielt er in Form 
des bekannten Papierstreifens seinen „Wechsel", der, sobald er fällig, bezeugt, 
daß nun das Geschäft beendet und gegen weitere Einwendungen „Protest" er 
hoben wird. Unser Gewährsmann verließ nun als nervenkrank mrt folgendem, 
bei mir im Original einzusehenden „Rezept" die Sprechstunde: 
8ol. ars. Fowl. 
Aq. foenic. 
Tt. nuc. vomic. 
äa 12,0 
M. S. 3 X tgl. 9—12 Tropfen, (ßeiterari potest!) 
Unser Kranker hatte also Arsenik und Strychnin (in einer naturärztlichen 
Zeitschrift nicht mit Unrecht als „Mäusegift" bezeichnet) gegen Gold einge 
tauscht; ein sehr unglücklicher Tausch, da ihm die Vorschrift beigegeben wurde, 
diese Verordnung lange Zeit fortzugebrauchen, worauf auch der Vermerk deutet: 
reiferari potest (Kann wiederholt werden!) Jedermann weiß, daß gerade 
Arsenik und Strychnin zu den Giftstoffen gehören, deren längere Zeit hindurch 
fortgesetzte Einverleibung selbst in kleineren Mengen fast mit Sicherheit nach 
teilige Folgen, selbst die heftigsten Vergiftungserscheinungen bewirkt; Folge 
zustände, die um so beklagenswerter sind, als sie sich meist schleichend und unver 
merkt entwickeln. So sagt vom Arsenik Oesterlen im Handbuch der Heil- 
mittellehre, welchem Verfasser man gewiß ein unbefangenes Urteil zutrauen muß, 
da er doch die Absicht in sich trägt, alles zu berücksichtigen, was zu Heil 
zwecken von Nutzen ist: „Nach allem scheint der innerliche Gebrauch der Arse 
nikalien fast besser ganz zu unterlaffen; immer sind sie ein zweischneidiges 
Schwert, noch zehnmal mehr als z. B. Quecksilber, selten oder nie von 
wirklichem und dauerndem Nutzen, sehr leicht aber von schlimmen Folgen be 
gleitet." (6. Aufl. S. 197) 
Muß es schon in hohem Grade befremden, wenn so zweifelhafte Stoffe 
in der Absicht gegeben werden, kranke Nerven aufzubessern, was doch nur auf 
naturgemäßem Wege, durch gewiffe, dem Körper gleichartige Einwirkungen, 
paffende Verteilung von Bewegung und Ruhe, geeignete Nahrung, gute Luft, 
vor allem durch eine eingehende Wasserkur, erreicht werden kann, nicht aber 
durch fremdartige Stoffe, welche nicht in den menschlichen Körper gehören, von 
ihm als feindselig, giftig, sobald als möglich, ausgeschieden werden oder gewisse 
Erscheinungen bewirken, aus deren Wesenheit hervorgeht, daß unser Körper 
sich gegen derartige Eingriffe wehrt — so erscheint es im höchsten Grade befremd 
lich, wenn solchen in ihrer Wirkung zweifelhaften und bedenklichen Verordnungen 
der Vermerk beigegeben wird: „Kann wiederholt werden." Also ein Freipaß 
für alle Fälle und alle Zeiten! Bis ans Lebensende kann der Empfänger 
in jeder Apotheke, in jeder gewünschten Wiederholung dieses Rezept für sich, 
nach Belieben auch für andere, anfertigen laffen. Man denke sich die Konse 
quenzen! Um solchen üblen Folgen, um dem Mißbrauch, dem Schaden vor-
	        
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