Volltext: Der Naturarzt 1890 (1890)

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Verlauf derselben den Stempel aufdrückte. „Der Buchstabe tötet, ooch der Geist macht 
lebendig." Besonders hätte dies der Abgeordnete bedenken sollen, der während der 
Versammlung immer und immer wieder das Wort nahm, der Hauptberichterstatter im 
Boigt'schen „Natur- und Volksarzt", Herr Rexhäuser. Wie er sich beklagen kann, daß man 
versucht habe, ihn mundtot zu machen, ist mir ein Rätsel. Es liegt mir fern, mit ihm 
wegen des Tones rechten zu wollen, den er in seinem Berichte anschlägt, noch wegen des 
Eindruckes, den er über den Verlauf der Versammlung bei den Lesern hervorzurufen versucht, 
welche dieselbe nicht besuchen tonnten. Ein Bericht kann eben niemals objektiv sein, sondern 
wird mindestens immer den persönlichen Eindruck widerspiegeln, den der jeweilige Schreiber 
empfangen hat (vorausgesetzt ist hierbei, daß es dem Referenten wirklich ernst ist um genaue 
Wiedergabe aller Thatsachen). Von welchem Geiste aber dieser Schriftsteller beseelt war, 
sollte jedenfalls die rote Blume im Knopfloch kundthun. Ja, Genossen, habt acht! Politische 
Parteiinteressen waren es, die in unsere Versammlung hineingespielt wurden. Die Warnungen 
des Bundesvorstandes, unsere Vereinsthätigkeit streng vom politischen Getriebe rein zu halten, 
hatten an einer Stelle arg verletzt. An einer andern Stelle war es wohl weniger Eigennutz, 
als vielmehr ungezügelte Leidenschaftlichkeit, die mit Bundesvorstand und Redakteur in 
Widerspruch geraten war. Diese beiden Richtungen reichten sich nun brüderlich d e Hand, 
nicht zum Kampfe für die Interessen unseres Bundes, sondern zur Befriedigung ihrer 
Sonderbestrebungen und schlugen wohl mit Wissen und Willen einen Ton an, der unsere 
Versammlung zu einem Tummelplatz der Leidenschaften machte. 
Aber eins muß man von jedem Bericht verlangen: er muß wahr sein. Dies kann 
man nun leider von den Berichten der Herren Rexhäuser und Genossen nicht sagen. So 
wird behauptet: 1. Die Vollmachten der Abgeordneten seien nicht geprüft worden. Wozu 
geschah denn die vorherige schriftliche Anmeldung und dann die persönliche Uebergabe der 
Vollmachten am Anfang der Versammlung. 2. Der Antrag Braunschweig sei angenommen 
worden. Ist falsch, er wurde im Interesse der Zeitersparnis von mir zurückgezogen, nachdem 
auch Herr Voigt-Mansfeld sich bereit erklärt hatte, den seinigen sollen zu lassen. 3. Bei 
den Wahlen seien nur noch etwa 20 Abgeordnete anwesend gewesen. Nun, warum haben 
denn nicht diese Unzufriedenen ihre „großen Männer" auf den Schild gehoben, denn sie 
waren ja wohl alle bis zum letzten Augenblicke anwesend? 4. Wird mit den Worten Vor 
stand und Vorsitzender Fangball gespielt. Gewiß wurde der Vorstand gegen 16 Stimmen 
gewählt; der Vorsitzende aber, Herr Schmeidel, trotz besonders von diesem verlangter Gegen 
probe — einstimmig. 
Wie sehr wahr es ist, daß der Rexhäuserffche Bericht darauf abzielt, politischen In 
teressen zu dienen, zeigt die Wiedergabe meiner wenigen Worte, die ich während der Ver 
sammlung gesprochen habe. Doch ehe ich darauf eingehe, will ich Ihnen — Herr Rexhäuser 
— ein wahres Geschichtchen erzählen. Sie sind ja noch sehr jung und werden gewiß gern 
noch etwas lernen — nicht etwa von mir, sondern von einem Ihrer „Genossen". Dieser 
Letztere gehörte einem unserer Vereine an und war wegen seiner regen Interessen für unsere 
Bestrebungen in den Vorstand gewählt worden. Er war aber auch politisch sehr thätig und 
wurde deshalb polizeilich überwacht. Damit nun nicht etwa die Polizei auch den Verein 
belästigen möge, legte er sein Amt nieder*). Sehen Sie, Herr Rexhäuser, das war edel ge 
handelt. und gewiß wird der Redakteur dieser schönen That Raum in unserem Blatte ge 
währen; gehen Sie hin und thun Sie desgleichen. Verdrehen Sie mir deshalb ein ander 
mal nicht meine Worte im Munde, die ich im Interesse unserer Sache gesprochen habe. 
Sie erhuben sich, meine Ausführungen so darzustellen, als habe ich die Arbeiter von oben 
herab behandelt. Ich brauche zum Glück nicht nur meine Worte als Zeugen anzurufen, 
Herr R Muser, ich kann meine Thaten reden lassen. Oder soll ich Ihnen einige Dutzend 
Adressen einsenden — darunter auch solche, die politisch Ihrer Fahne folgen und dort im 
Vorderucsstn stehen — um Ihnen zu beweisen, daß ich seit mehr denn 12 Jahren für volks- 
timUä e Bestrebungen noch etwas mehr als Zeit und Geld geopfert habe? Niemand kann 
lieber in die schwielige Hand eines wackeren Mannes einschlagen, gls ich. Wegen dieser 
Neigung habe ich früher viele Anfechtungen zu erduloen gehabt. Darum Vorsicht, Freunde! 
Habe ein jeder Acht. daß nicht fremde Interessen mit den unsrigen vermengt werden. Wenn 
Sie, Herr Rexhäuser, ein andermal alle Nebenrücksichten zu Hause lassen wollen, dann 
werden Sie mir, ja gewiß uns allen, zu redlicher Mitarbeit willkommen sein. 
*) Berlin II kann mit einem gleichen Fall dienen. 
Nachklänge zur Bundesversammlung. 
Von Ewald Rechenberger, Freiberg i. S. 
Wenn sich der Versasser dieses Artikels veranlaßt sieht, jetzt, nach der Bundesversamm 
lung. dieselbe zum Gegenstände öffentlicher Besprechung zu machen, so entspringt diese Ab-
	        
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