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Von Schmerzen war keine Rede mehr und so kam es, daß mir am 26. Jrnuar
Pat. sagte: sie hätte große Lust, am anderen Tage abzureisen und zwar über
Chemnitz, wo sie zum Geburtstag ihres Vaters eintreffen möchte, was demselben
große Freude machen würde, wenn er seine verloren geglaubte Tochter an
diesem Tage wieder gesund und munter in die Arme schließen könne. Da
gerade kein Grund vorlag, die Patientin zurückzuhalten, obgleich ich sie gerne
noch ein paar Wochen (7 war sie da) hier behalten hätte, um nunmehr Gym
nastik methodisch mit ihr vornehmen zu können, wodurch der Heilungsprozcß
noch beschleunigt worden wäre, so ließ ich sie in Gottes Namen ziehen und
gab ihr die nötigen Verhaltungsregeln mit.
Schreiben vom Manne 8ub 13. Februar lautete:
P. P. Teile Ihnen hierdurch mit, daß die Eiterung meiner Frau ruhig weiter geht;
wir machen Ihre Anweisungen noch fort und hat sich der Appetit jetzt besser eingestellt, so
daß sie die täglichen drei Mahlzeiten verlangt und genießt; auch der Stuhlgang stellt sich
regelmäßig ein. Wir besuchten neulich unsern Hausarzt, und bat er sich aus, sie einmal
untersuchen zu dürfen, da ihn dieser Fall sehr interessire. Er behauptete dann, daß es
noch mit der früheren Eiterung zusammenhänge und die Abführungskanäle sehr tief lägen.
Um ein zu schnelles Zuheilen der Wunde zu verhüten, riet er ein Stück Gummi oder
Bleiröhrchen einzuschieben und bitte ich Sie freundlichst um Mitteilung und Rat, daß wir
keinen Fehler machen. Meine Frau, sowie Mariechen lassen Sie freundlichst grüßen und
ganz besonders grüßt mit besonderer Hochachtung Ihr ergebener R. W.
Meine Antwort lautete: Die Natur braucht keine Barrikade und weiß die
Zeit am besten zu beurteilen, wenn sich eine abnorme Öffnung wieder zuschließen
muß; also fort mit dem Röhrchen!
Brief vom 9/3. lautete:
Herzlich danke ich Ihnen für Ihr Schreiben mit Ihrer Ansicht über unsere Anfrage.
Wir haben dem Arzt gleich rundweg abgeschlagen, Heilversuche an der Wunde v orzu nhmen;
dieselbe hat sich seither um ein weniges verkleinert und gibt nur noch wenig Materie ab,
der Appetit hat sich ganz eingefunden und freut sich mein Frauchen sehr darüber, daß sich
das Verlangen zum Essen eingefunden; Bäder und Bewegung in der frischen Luft werden
immer fortgesetzt und wäre sie so ziemlich zufrieden gestellt; fast hat sie jetzt vor lauter
Beschäftigung gar keine Zeit zum Spazirengeben und muß ich tüchtig dahinter sein, daß
es befolgt wird. Es thut uns leid, daß wir Ihnen zu schnell von Dresden geschieden sind
und behauptet doch mein Frauchen, daß Sie mit unserer Abreise vertraut gewesen wären!
Unter den herzlichsten Grüßen von meiner Frau und Töchterchen R. W.
Brief vom 30. Dezember lautet:
Die Wunde meiner Frau hat sich ziemlich ganz geschlossen und macht sic nur »och
einige Bäder die Woche über; das Befinden i st ganz befriedigend und hoffen
wir, daß es dabei bleibt!
Am 9. Juni vor. Jahres kam Pat. wieder unverhofft auf ein paar Wochen zur
Kur nach Dresden; ich fand sie recht gut genährt und von blühendem Aussehen,
nur bez. ihres Unterleibes klagte sie, daß doch nicht alles in Ordnung sei,
denn an der Stelle der früheren Geschwulst bemerke sie jetzt eine gerade nicht
beschwerliche Anschoppung, welche ihr Angst mache und sie eine Wiederholung
des vorigen Zustandes befürchten lasse; nach vorgenommener Untersuchung
(wobei ich nichts Auffallendes entdeckte und die Narbe der früheren Öffnung
recht gut fand) bemerkte ich ihr, daß man allerdings nicht wissen könne, was
daselbst sich entwickeln werde, aber man könne ja leicht das pEvonirs spielen
und ein sich heranziehendes Gewitter wieder verscheuchen; ich ließ sie nun die
vorige Kur etwas modifizirt mit Einfügung von ein paar Dampskästen wieder
holen und nahm nun auch methodische Heilgymnastik in den Kurplan auf.
Patientin ging am 28. des gl. Monats sehr befriedigt und beruhigt wieder
heim und hat bis heute nichts wieder von sich hören lassen. Ihr approbirter
Achselzucker wird schöne Augen gemacht haben, wenn er sie nach der Rückkehr
gesehen und gesprochen, denn so sieht keine Person aus, deren Tage gezählt