Volltext: Der Naturarzt 1885 (1885)

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Resultat dieser sorgfältigen Behandlung ist nun, daß es dem Kinde im Wagen 
unter seiner vielfachen Hülle unerträglich heiß wird, so daß es förmlich 
zum Schwitzen kommt. Ich habe selbst an meinem erstgeborenen kräftigen 
Knaben, als er noch ein Säugling war, die Schweißtropfen auf der Stirne 
beobachtet und sofort war mir klar, daß die bei demselben vorgekommenen Er 
kältungen. die sich in wiederholten Katarrhen. Brust husten re. zeigten, 
nur eine Folge der vorausgegangenen zu starken Erhitzung im Kinderwagen waren. 
Denn setzt man ein solch innerlich erhitztes Kind nur einem frischen Winde, 
oder einige Minuten andauernder Zugluft aus, oder nimmt es unterwegs oder 
zu Hause aus dem Wagen, so ist die Abkühlung eine derartig rasche oder 
heftige, daß leicht eine Erkältung mit ihren Folgen eintritt. Nicht der kalte 
Wind oder die Zugluft oder die Kälteeinwirkung an und für sich ist also die 
Ursache der Erkältung, sondern die vorausgegangene unnatürliche Erhitzung. 
Meine Belehrung, daß man es dem Kinde an den Händen anfühlen könne, 
sowie am Gesicht ansehe, wenn es zu heiß habe und daß man das schwere 
Bett ganz wegnehmen oder nur über die nackten Füße breiten solle und dürfe, 
wenn man es nicht lebensgefährlich krank machen wolle, wurde nicht strikte 
befolgt und wiederholt mußte ich selbst das Anziehen des Kindes überwachen 
und korrigircn. Sobald inein Knabe nun gehen konnte und nicht mehr im 
Kiudswagen liegen blieb, sondern meist sitzend sich fahren ließ, wobei er nicht 
mehr bis an die Ohren zugedeckt werden konnte, war er auch außer Gefahr 
und blieb seitdem von gefährlichen Erkrankungen, wie Brustkatarrhen verschont. 
Mein zweites Kind, zu noch größerer Freude der Mutter und Großmutter 
ein Mädchen, wurde natürlich womöglich noch sorgfältiger behandelt, d. h. noch 
wärmer zugedeckt, bis das arme Kind, nachdem es mehrmals von Katarrh 
und Husten befallen, jedoch immer bald genesen war, Mitte März d. I. im 
Alter von 5 Vs Monaten an einer lebensgefährlichen Lungenentzündung cr- 
krauktc. Ich bemerke hier, daß das gesund geborene Kind im übrigen mög 
lichst rationell behandelt und ernährt wurde. Die Nahrung bestand nur einen 
Monat laug aus Muttermilch, so lange sie eben vorhanden war und aus 
reichte; von da ab aus dünnem Grahammehlbrei mit verdünnter Milch ge 
kocht und die Kleie durch ein Haarsieb abgeseiht unb entfernt. Dabei befand 
sich das Kind immer wohl und gedieh auch bestens. Tägliches Bad in über 
schlagenem Wasser von 21—23° R. Schlafen bei offenem Fenster, d. h. in 
stetig ventilirter Luft im ungeheizten Zimmer und außer bei Schnee- und 
Regenwetter tägliche mehrstündige Fahrt im Freien. Kleidung ganz in Wolle 
mit häusigem Wechsel, also größter Reinlichkeit. Bei den vorausgegangenen 
Katarrhen und Husten der Kinder hatten wir denselben, ebenso wie bei uns 
Erwachsenen, feuchte sog. Prießnitzsche Umschläge um den Hals und über die 
Brust gelegt und dies, einigemal wiederholt, führte rasch zur Genesung. Im 
vorliegenden Falle der Lungenentzündung, den wir gleich als eine gefährliche 
Erkältung mit Husten, aber nicht als Lungenentzündung erkannten, verfuhren 
wir ebenso, wie bei den erwähnten leichteren Erkrankungen; als aber nach 
2 Tagen, an denen wie immer gebadet wurde, keine Wendung zum Besseren 
eintrat, das Kind immer schwerer atmete, beriefen wir den mit dem Natur- 
heilverfahren vertrauten Stabsarzt Dr. Kaz in Ulm, welcher sofort die Krank 
heit als eine gefährliche Lungenentzündung erkannte. Eine Lungenspitze zeigte 
sich angegriffen, das Kind war sehr schwach, fast ohne Wärme, schon ganz 
blau und die Gefahr eines Herzschlages naheliegend. Sofort^ wurde vom 
Arzte ein wärmeres Bad von 25° R. angeordnet, dabei die Brust mit Wasser 
von 18° R. übergössen, hernach das Kind gut frottirt, ganz nackt ins Woll-
	        
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