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handwerksmäßige Haltung in der Jmpffrage sich von den Tierärzten über
holen lassen! Vom Tierarzt zum Menschenarzt ist in der Jmpffrage nur
noch cm kleiner Schritt, und diesen Sckritt thun wir heute! Jetzt wissen Sie
wenigstens, für was und für wen, aber auch — gegen wen wir
kämpfen!
NWatrische Rt-eü<men über das BranKenKaffengefttz.
Von einem Freunde der Wahrheit.
Das seit 3 / 4 Jahren bestehende Orts-Zwangs-Krankenkassen-
gesetz scheint das Loos anderer Zwangseinrichtungen teilen zu sollen, die
ursprünglich und theoretisch dem Wohle des Volkes dienen sollen, faktisch aber
durch die rigorosen Z w a n g s b e st i m m u n g e n vielfach mehr belästigend als
wohlthätig wirken, außerdem aberden Bureaukratismus stärken und den Pri
vileg i r t e n Ständen neue Vorteile bringen.
_ Die gesammelten Beiträge wandern fast ausschließlich in die Taschen der
'S t a a t s m e d i z i n e r und Apotheker, verschwindend sind dagegen die den
Kranken zufließenden Entschädigungen und haben viele Kassen Mühe, um nur
die Doktorrechnungen stets berichtigen zu können. Trotzdem sinden es manche
Ärzte für angezeigt, ihre Taxen noch zu erhöhen und durch gemeinsam gefaßte
Beschlüsse die Krankenkassen zur Gewährung derselben zu zwingen.
Wenn auch unsere Presse in ihrem rührenden Zartsinn für die Herren
Staatsmediziner dergleichen Übelstände zu ignorircn pflegt, so haben doch die
Betroffenen, selbst sogar Regierungsbeamte sich genötigt gesehen, auf Abhi-fe
.zu denken.
Wohl ist es wahr, daß ein großer Teil der zwangsweise der Krankenkasse
angehörenden Arbeiter es für nötig hält, wegen jeder Kleinigkeit, bei der es
ihnen sonst nicht eingefallen wäre, den Kassenarzt zu konsulüren und dadurch
der Kasse unnötige Ausgaben zu verursachen, allein der Versuch, diesem Übel
stande dadurch entgegenzutreten , daß man durch schroffe Zentralisation und
Monopolisirung, oder auch durch kostspielige Kontrolirung den Zugang zum
Arzte zu erschweren sucht, ist noch bedenklicher.
Man wird dadurch vielleicht eine Einschränkung der Konsultationen er
reichen, da der Arzt aber keine Einschränkung seiner Einnahmen duldet und
demgemäß seine Forderungen erhöht, so ist eine Folge davon, daß die Kasse
ebensoviel zu zahlen, der Arzt aber für weniger Mühe dieselbe Einnahme hat.
Die andere bedenklichere Folge wird die sein, daß ein großer Teil, und zwar
gerade die bescheidenen und besseren. der Arbeiter auch bei manchen anderen
Krankheiten, bei denen ein ärztlicher Rat von großem Nutzen sein könnte,
lieber auf denselben verzichtet, als sich den erschwerenden Bedingungen und
Kontrolirungen zu unterziehen. Für diesen Teil der Versicherten bringt dann
die zwangsweise Zugehörigkeit zur Kasse nur die Verpflichtung zur Beitrags
zahlung ohne den berechtigten Nutzen, und vermehrt damit die Unzufriedenheit
mit den Staatseinrichtungen.
Zu den genannten Übelständen kommt nun noch ein weiterer. Die Kassen-
vorstände unv Behörden können wohl einen Arzt zum Kassenarzt ernennen, sie
können ihm aber nicht die Gabe, Kranke gesund zu machen, ver
leihen. Die Einführung der Krankenkassen hat demnach nicht nur dazu gedient,
den privilegirten Ärzten neue feste Einnahmen zu verschaffen, sondern, und dies
ist ihnen fast noch wertvoller, wird auch mit Schmunzeln in ihren Berichten