Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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lag erungen nach Örtel — G. W.) sind zum großen Teile, manchmal ganz, verschwunden, 
Färbung und Volumen der betroffenen Schleimhaut und Drüsenpartien sind der Norm ge 
nähert, der Puls hat sich gehoben und an Frequenz verloren, normale Darmentleerung 
stellt sich alsbald ein, die Harnsekretion liefert ein reichlicheres Resultat; der zum zweiten 
Besuche eintretende Arzt wird vom Patient mit befriedigtem Lächeln begrüßt (wahrlich ein 
unvergleichlicher Lohn und leicht erworben dazu!). Von Stund an ist es bis zur völligen 
Gesundheit nicht mehr weit; sie folgt dem Verschwinden des letzten Zeichens der Krankheit 
auf dem Fuße nach; ein Stadium konvaleszentiae kommt nicht in Anschlag; ja nicht selten 
wird an Kindern nach rasch geheilter Diphtherie eine gedeihlichere Entwicklung des Ge 
samtorganismus beobachtet; Nachkrankheiten habe ich in keinem Falle auftreten gesehen; 
eine Verbreitung des diphtherischen Prozesses auf der Respirationsschleimhaut habe ich nur 
in solchen Fällen beobachtet, wo sie dem Beginn der oben angegebenen Behandlung bereits 
vorausgegangen war. Das der Hergang bei der durch minimale Dosen des cyanu- 
retum mercurii eingeleiteten Heilung der Diphtherie, wie er von mir und anderen während 
eines Zeitraumes von beinahe 2 Jahrzehnten in kaum zu zählenden Fällen mit 
geringen Schwankungen und Abweichungen beobachtet worden ist, welche letztere durch zu 
fällige äußere Einwirkungen oder durch Komplikationen mögen veranlaßt worden sein. 
Ich verharrte an dem Orte meiner damaligen Berufsthätigkeit nach meiner ersten Bekannt 
schaft mit der Diphtherie noch 5 Jahre; die während dieses Zeitraumes von mir ausschließlich 
mit dem cyanureturn mercurii behandelten Fälle erreichen die Zahl 200, ohne auch nur 
einen einzigen lötlichen Ausgang ergeben zu haben! Mein Kollege Dr. Beck, dem das 
Verdienst zufällt, zu diesem heilsamen Verfahren die Initiative ergriffen zu haben, konnte 
mich leider nur kurze Zeit mit gleichem Erfolge sekundiren, da er bald darauf 
St. Petersburg verließ, was ich umso mehr beklagte, als diejenigen Kollegen, mit denen 
ich in persönlichem Verkehr stand, meiner mündlichen Empfehlung des cyanureturn mercurii 
sich wenig zugänglich zeigten; ein jeder derselben mochte wohl lieber etwas Apartes f ü r 
s i ch haben wollen! Es waren seit der ersten Veröffentlichung, welche das cyan. merc. 
als spezifis ches Heilmittel der Diphtherie empfahl, 2 Jahre vergangen, als ich 
Gelegenheit fand, mit deutschen Kollegen zu verkehren, welche mir gesprächsweise mit 
teilten, daß sie aus Grund meiner Empfehlung bei Behandlung der Diphtherie von dem 
cyanureturn mercurii Gebrauch gemacht hätten, ohne jedoch zu den von mir gerühmten 
klinischen Resultaten gelangt zu sein; sie hätten trotz achttägiger Darreichung des cyau. 
merc. in jedem von ihnen behandelten Falle diphtherische Geschwüre entstehen gesehen, 
deren Heilung darauf erst vermittelst der Chlorwasserstoffsäure habe bewerkstelligt werden 
können; diese gewaltige Abweichung von meinen bekannt gegebenen klinischen Resultaten 
rührte nun daher, daß dieselben sich der 2. Dezimalverreibung statt der 6. (und jetzt sogar: 30.), 
wie ich angegeben, bedient und von dieser auch noch 2stündlich wiederholte Grangaben hatten 
nehmen lassen; wodurch sie in Ansehung der eminenten Intensität der giftigen Wirkung, 
welche dem cyau. merc. eigen ist, ebenfalls nur giftige Wirkungen, mindestens 
eine Verschleppung des Krankheitsprozesfes, erzielen konnten; sie hatten infolge 
ihres makrodosistischen Verfahrens die positive Wirkung des als Arznei dienenden 
Giftes provozirt, statt der negativen, welche effentialiter die heilende ist! Ein 
Vergleich der angeführten klinischen Erfolge beiderlei Art, der makro- und mikro- 
dosistischen, läßt deutlich erkennen, auf welcher Seite der Vorteil zu finden ist; experimen 
tell ist die Vorzüglichkeit des mikro dosistischen Verfahrens, sofern es gegen die Diph 
therie gerichtet ist, festgestellt. Auch haben mehre meiner Kollegen mich von freien 
Stücken ermächtigt, mich auf sie zu berufen, sobald es sich darum handeln würde, die s p e - 
zifisch-antidiphtheritische Wirkung des cyanureturn mercurii empirisch zu er 
härten ; sie bekennen gleichlautend, daß, seitdem sie sich minimaler Gaben des ge 
nannten Heilmittels bedienen, sie einen tätlichen Ausgang nicht mehr beobachtet 
haben, die Dauer des Krankheitsverlaufes erheblich abgekürzt worden und kon- 
s e k u t i v e Krankheitsprozesse nicht zur E n t w i ck l u n g gelangt seien. Zum Behufe 
der Prophylaxis habe ich die tägliche einmalige Darreichung einer Gabe der 30. 
Rarefaktionsstufe des cyau. merc. ausreichend befunden und so lange fortsetzen 
lassen, als Jnfektionsgesahr vorhanden war; es ist mir auf diese Weise gelungen: in ärm 
lichen, kinderreichen, ungesunde kleine Wohnungen dicht füllenden Familien, deren Mit 
glieder mit allem konstitutionellen Krankheitszunder behaftet waren, den Ausbruch der 
Diphtherie auf den ersten, meiner ärztlichen Behandlung anvertrauten Fall z u be 
schränken! 
Verf. fragt nun: Wie in aller Welt kann denn eine giftige Substanz das Heil 
mittel einer Krankheit abgeben, nachdem wir erkannt haben, daß sie am gesunden mensch 
lichen Organismus Reaktionserscheinungen unwiderstehlich hervorruft, welche mit 
denjenigen der aus relativen Ursachen hervorgegangenen Krankheit identisch sind? Und 
sagt: Es ist hier nicht der Ort, eine Genesis der Lehre Hahnemanns zu geben, welche
	        
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