Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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garisationen mit sich bringt, wodurch die Resistenz des erkrankten Organismus 
gebrochen, die spontane Genesung erschwert, in vielen Fällen unmöglich gemacht, 
mithin die Letalität des diphtherischen Krankheitsprozesses begünstigt wird; 
während gerade der reparatorische Schlaf es ist, welcher die conditio sine qua 
non der spontanen Genesung liefert. Vergegenwärtigt man sich deutlich jene 
Nachteile, so wird der Vorteil des desinfizirenden Verfahrens der Ertötung 
sämtlicher auf dem Krankheitsherde hausenden Mikrobien fraglich werden, 
auch wenn er in der That erreichbar wäre, was er aber nicht 
i st! Den Nachweis davon, daß die zu Bepinsclungen und Gargari- 
sationen verwendete Flüssigkeit mit sämtlichen Pilzindividuen in Be 
rührung gckommew sei, ist nicht zu erbringen, und entgeht derselben auch 
nur ein solches Individuum, so wird dieses binnen 24 Stunden durch Spal 
tung billionenfach sich vermehrt haben. Doch gesetzt auch, die auf dem 
Krankheitsherde befindlichen Mikrobien seien vollständig zerstörbar, so wird 
doch die Spezies in denjenigen Medien unbehelligt verharren, aus welchen 
der diphtherisch erkrankte Organismus sie aufgenommen hat und diese Auf 
nahme von neuem vor sich gehen können, so lange die pathologische 
Beschaffenheit der in Frage kommenden Gewebe und ihrer Sekrete, 
jenen die Bedingungen ihrer Existenz und Fortpflanzung liefert! 
Der Voraussetzung einer solchen Prädisposition oder spezifischen 
Erkrankungsfähigkeit auf Seiten der an Diphtherie erkrankten mensch 
lichen Individuen können wir uns nicht entschlagen, sobald es sich um Er 
örterung derjenigen Faktoren handelt, denen die in Rede stehende Krankheit 
ihre Entstehung in jedem einzelnen Falle verdankt. Wollte man den 
Nicroccns diphthericus als alleinigen Faktor gelten lassen, so müßte man die 
Notwendigkeit der gleichartigen Erkrankung sämtlicher, eine beschränkte Be 
völkerung bildender, Individuen einräumen, welche den in der Atmosphäre, den 
Nahrungsmitteln, an Bekleidungsstoffen re. vorhandenen Krankheitserregern 
gleichmäßig ausgesetzt ist, während im Falle einer noch jo ausgebreiteten diph 
therischen Epidemie in der That nur eine Minorität der Bevölkerung 
zu erkranken pflegt. Da nun dem einen Faktor innerhalb des an der 
Diphtherie erkrankten Organismus kaum, innerhalb der allen Individuen 
gemeinsamen Medien gar nicht beizukommen ist, so wird es die Aufgabe der 
Therapie sein müssen, den a n d e r e n Faktor, d. i. die i m m e n s ch l i ch e n 
Organismus liegende spezifische Erkrankungsfähigkeit zu 
bekämpfen, mit andern Worten: dem erkrankten Organismus zur 
Immunität gegenüber demKrankheitserreger zu verhelfen! 
Ist dies ausführbar? Liegen Thatsachen vor, welche die Ausführbarkeit eines 
solchen radikalen Verfahrens erkennen lassen? Sind „experimentelle Untersuchun 
gen" veranstaltet worden, welche auf induktivem Wege zu einer obersten, in praxi 
auf jeden Einzelsall anwendbaren Erkenntnis geführt haben? Erstreckt sich unsere 
dermalige Erkenntnis auf Naturkräfte und Gesetze, welche der (im weitesten 
Sinne) physikalischen Erläuterung der Krankheitsheilung überhaupt , sowie der 
Heilung und Verhütung der Diphtherie insbesondere zu Hilfe kommen? 
Verf. beantwortet diese Fragen nun nicht in besonderen Kapiteln, sondern bringt 
zuerst seine Bekanntschaft mit der epidemischen Diphtherie und dem dabei ent 
deckten Heilmittel und knüpft daran seinen Versuch der Beantwortung; er 
erzählt ungefähr, weil von mir abgekürzt: 
Es war im Februar 1864, als mein 7jähr. Sohn eines Morgens seine gewöhnliche Munter 
keit vermissen ließ, nachdem er tags zuvor durch längeres Sprechen im Freien bei — 14° R, (in 
St. Petersburg sich erkältet hatte; trotzdem ging er noch in die Schule und klagte bei der Rück-
	        
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