Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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Nach Anführung einiger pathologisch-anatomischen Thatsachen meint Vers., 
daß sich daraus schon der Schluß ziehen lasse, daß die Hautbildung 
nicht als etwas der genuinen Diphtherie Eigentümliches, Spezifisches an 
gesehen werden könne, sondern daß ihrem Gifte nur in gleicher Weise, wie ver 
schiedenen anderen Giften und Schädlichkeiten, unter anderem die Eigen 
schaft innewohne, die eigentümliche Schleimhauterkrankung hervorzurufen. Und 
schon hieraus wieder lasse sich mit großer Wahrscheinlichkeit vermut,», daß die 
unmittelbaren Ursachen der diphtherischen Schleimhauterkrankung überall 
dieselben sind, daß aber sehr verschiedene Schädlichkeiten im stände 
sein werden, diese unmittelbaren Ursachen — vielleicht auf sehr differenten 
mittelbaren Wegen — in Wirksamkeit treten zu lassen. So ergebe sich denn, 
daß die Aufgabe, den Ursachen der Diphtheritis experimentell nachzuforschen, 
notwendigerweise in 2 Hälften zu zerfallen hat, deren eine den Be 
dingungen der Entstehung der diphtheritischen Haut, deren andere den 
Bedingungen der diphtheritischen Allgemeininfektion, also dem 
diphtheritischen Gifte resp. dessen Beziehungen zur lokalen Hautbildung ge 
widmet sein muß. Dieser Weg ist in den nachfolgenden Untersuchungen einge- 
geschlagen worden. 
Und was ist das Resultat dieser beiderlei mühevollen Untersuchungen an 
34 Kaninchen, deren Blaienschleimhaut nach Öffnung der Bauchhöhle auf einige 
Zeit durch Unterbindung des Blasen-Grunds völlig außer Zirkulation gesetzt 
wurde (siehe oben unterbrochene Blutzufuhr) ? Vers, antwortet darauf: 
ad 1. Man ist berechtigt , anzunehmen, daß auch bei der menschlichen 
genuinen Diphtherie die unmittelbaren Ursachen der eigentümlichen hier 
auftretenden Schleimhauterkrankungen keine anderen sein werden, als: 
eine tiefgehende Beeinträchtigung der Ernährung gewisser Gewebe, meist des 
Schleimhautepithels und der oberflächlichsten Schleimhautgefäße, nicht selten 
auch des Schleimhautgewebes rc. Und da wir es bei der Diphtherie der Menschen 
mit einem Krankheitsgift zu thun haben, auf welches wir alle Krank 
heitserscheinungen zurückführen, so ist der weitere Schluß gerechtfertigt, daß das 
diphtheritische Krankheitsgift die letzte Ursache auch jener Ernährungsstörung 
der Epithelien, der Schleimhaut, der Blutgefäße sein wird. In welcher 
Weise aber dasselbe jene unmittelbaren Ursachen der lokalen Schleimhaut 
diphtherie, die Gewebsschädigung nämlich, zu stände bringt, darüber ist aus den 
bisherigen Versuchen ein Schluß noch nicht zu ziehen. 
ad 2. Diphtheritische Allgemeininfektion. Das diphtbe- 
ritische Gift hat mit den Pilzrasen (Bakterien, Bazillen, Mikrokokken, 
Kettenkokken) nichts zu thun; folglich ist das diphtherische Gift heute noch 
so unbekannt, wie zahlreiche andere menschliche Krankheitsgifte, das des 
Scharlachs, der Masern, der Pocken rc. und die Erkrankungen, welche ick bei 
meinen Jmpfversuchen am Tier hervorbrachte, waren allerdings insofern k ü n st - 
liche Diphtherie, als sie zum ersten mal sichere Kombinationen einer lokalen 
diphtherischen Schleimhauterkrankung mit einer Infektionskrankheit repräsen- 
tirten; aber nur leider waren die Jnfektionsgiste nicht identisch mit dem 
Gifte der menschlichen Diphtherie, sondern waren gänzlich heterogener Natur! 
Ich scheue mich nicht, dieses negative Resultat, zu dem die 2. Serie 
meiner Versuche und die daran geknüpften Überlegungen geführt haben, auszu 
sprechen, denn es ist kein Rückschritt in dem Forschen nach Wahrheit, wenn 
ein Irrtum als solcher erkannt und bekannt wird! 
Es wird damit durchaus die Hoffnung nicht aufgegeben, auch das Diphtherie 
gift noch nachgewiesen zu sehen, und werden aller Wahrscheinlichkeit nach
	        
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