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Hagen liegen ganze Familien darnieder, das Vieh haben daselbst Bekannte
weggeholt, um es zu füttern, da niemand sich darum kümmern kann und es
sonst verhungern müßte. Nach der Meinung der Ärzte ist noch eine weitere
Ausdehnung der Krankheit zu befürchten, da nach den bisher gemachten Er
fahrungen Personen, welche trichinöses Fleisch nicht frisch, sondern
als Blutwurst, Sülze, gekochtes Fleisch rc. genossen haben, oft e r st nach
4 Wochen und noch später von der Krankheit ernstlich ergriffen worden
sind. Die gerichtliche Untersuchung ist in vollem Gange.
Was sagt uns die Pathologie über diese Erkrankung?
Die Trichinenkrankheit oder Trichinose, eine bisweilen (?) tödlich
verlaufende Krankheit, wird hervorgerufen durch Trichinen, welche durch
Genuß von Schweinefleisch, zumal rohem, in den menschlichen Darm ge
bracht und ins Ungeheuere sich vermehrend, durch die Darmwände und Bauch
höhle hindurch in das Muskelfleisch wandern, um daselbst sich einzukapseln.
Die Trichinen, in die Familie der Fadenwürmer gehörende Haarwürmer,
sind dünne, fadenartige Würmchen, 1 1 / 2 — 2 Millimeter lang und von einer
weißen, kalkigen Kapsel umgeben. Wird mit ihnen besetztes Fleisch von Menschen
gegessen, so löst sich diese Kapsel im Magensaft auf, worauf die Fortpflanzung der
geschlechtsreifen Würmer beginnt. Man schützt sich vor der Trichinose durch Durch
kochen und Braten des Schweinefleisches und die mikroskopische Fleischschau. (?)
Daß weder das Kochen noch Braten des trichinösen Schweinefleisches vor
Trichinen schützt, ersieht man aus obiger Schilderung des Dr. S t a m m e r,
daß aber auch die mikroskopische Fleischschau keinen Pfifferling taugt, kann man
aus nachstehender mir vor Augen gekommenen Zeitungsnotiz ersehen; sie lautet:
„Einen sonderbaren und das ganze neu eingeführte Institut der
Trichinenschau arg diskreditirenden Widerspruch enthalten die
amtlichen Befundscheine der verpflichteten Trichinenschauer in Mitt-
weida. Während auf der rechten Halbseite die Erklärung vorgedruckt ist:
„Dem rc. wird hiermit bescheinigt, daß das von ihm heute geschlachtete Schwein
untersucht und trichinenfrei befunden worden ist. (Unterschrift des Trichinen
suchers)", steht an der linken Halbseite eine Warnung des Stadtrats von
Mittweida folgenden Inhaltes: „In der Trichinenschau liegt durchaus keine
Garantie dafür, daß die untersuchten und trichinenfrei befundenen Schweine
auch wirklich vollkommen trichinenfrei seien, nur das gehörige
Kochen und Braten bietet Sicherheit vor der Trichinosis!" Und angesichts
dieser Erkenntnis führte man dieses kostspielige Institut der obligaten Trichinen
schau ein. Ein merkwürdiger Zusammenhang, aber ein ehrliches Bekenntnis!!"
Also weder Trichinenschau, noch Kochen, Sieden und Braten schützen uns
vor der Trichinosis und wenn man sie doch erwischt hat, weil man das
Schweinerne oder Wurst eben nicht entbehren kann und nun beim guten Doktor
Hilfe sucht, so kommt man vom Regen unter die Traufe, denn — wie Dr.
Stammer oben ehrlich gesteht! — alle Apothekermittel nützen nichts!
Daher kann unsre Parole nur sein: Moses und Pythagoras hübsch folgen!
Einigen Trost will ich meinen schweinelüsternen Lesern aber doch geben,
indem ich ihnen noch mitteile, wie man an Trichinose Erkrankten mit Wasser
beisteht. Ein Wasserfreund, H. Wisliceny, schreibt darüber folgendes:
In Hedersleben bei Quedlinburg behandelte ich die Trichinenkranken
und rettete alle die, welche noch nicht zu stark bearzneiet waren; die Leute
waren stark geschwollen und lagen vielfach in heißem Fieber. Die Äizte gaben
Benzin zu trinken, sage Benzin! Dieses scharfe Fleckenwasser, was äußerlich
die Haut so stark angreift, wie soll das eingenommen wirken, wenn es auf