Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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Hagen liegen ganze Familien darnieder, das Vieh haben daselbst Bekannte 
weggeholt, um es zu füttern, da niemand sich darum kümmern kann und es 
sonst verhungern müßte. Nach der Meinung der Ärzte ist noch eine weitere 
Ausdehnung der Krankheit zu befürchten, da nach den bisher gemachten Er 
fahrungen Personen, welche trichinöses Fleisch nicht frisch, sondern 
als Blutwurst, Sülze, gekochtes Fleisch rc. genossen haben, oft e r st nach 
4 Wochen und noch später von der Krankheit ernstlich ergriffen worden 
sind. Die gerichtliche Untersuchung ist in vollem Gange. 
Was sagt uns die Pathologie über diese Erkrankung? 
Die Trichinenkrankheit oder Trichinose, eine bisweilen (?) tödlich 
verlaufende Krankheit, wird hervorgerufen durch Trichinen, welche durch 
Genuß von Schweinefleisch, zumal rohem, in den menschlichen Darm ge 
bracht und ins Ungeheuere sich vermehrend, durch die Darmwände und Bauch 
höhle hindurch in das Muskelfleisch wandern, um daselbst sich einzukapseln. 
Die Trichinen, in die Familie der Fadenwürmer gehörende Haarwürmer, 
sind dünne, fadenartige Würmchen, 1 1 / 2 — 2 Millimeter lang und von einer 
weißen, kalkigen Kapsel umgeben. Wird mit ihnen besetztes Fleisch von Menschen 
gegessen, so löst sich diese Kapsel im Magensaft auf, worauf die Fortpflanzung der 
geschlechtsreifen Würmer beginnt. Man schützt sich vor der Trichinose durch Durch 
kochen und Braten des Schweinefleisches und die mikroskopische Fleischschau. (?) 
Daß weder das Kochen noch Braten des trichinösen Schweinefleisches vor 
Trichinen schützt, ersieht man aus obiger Schilderung des Dr. S t a m m e r, 
daß aber auch die mikroskopische Fleischschau keinen Pfifferling taugt, kann man 
aus nachstehender mir vor Augen gekommenen Zeitungsnotiz ersehen; sie lautet: 
„Einen sonderbaren und das ganze neu eingeführte Institut der 
Trichinenschau arg diskreditirenden Widerspruch enthalten die 
amtlichen Befundscheine der verpflichteten Trichinenschauer in Mitt- 
weida. Während auf der rechten Halbseite die Erklärung vorgedruckt ist: 
„Dem rc. wird hiermit bescheinigt, daß das von ihm heute geschlachtete Schwein 
untersucht und trichinenfrei befunden worden ist. (Unterschrift des Trichinen 
suchers)", steht an der linken Halbseite eine Warnung des Stadtrats von 
Mittweida folgenden Inhaltes: „In der Trichinenschau liegt durchaus keine 
Garantie dafür, daß die untersuchten und trichinenfrei befundenen Schweine 
auch wirklich vollkommen trichinenfrei seien, nur das gehörige 
Kochen und Braten bietet Sicherheit vor der Trichinosis!" Und angesichts 
dieser Erkenntnis führte man dieses kostspielige Institut der obligaten Trichinen 
schau ein. Ein merkwürdiger Zusammenhang, aber ein ehrliches Bekenntnis!!" 
Also weder Trichinenschau, noch Kochen, Sieden und Braten schützen uns 
vor der Trichinosis und wenn man sie doch erwischt hat, weil man das 
Schweinerne oder Wurst eben nicht entbehren kann und nun beim guten Doktor 
Hilfe sucht, so kommt man vom Regen unter die Traufe, denn — wie Dr. 
Stammer oben ehrlich gesteht! — alle Apothekermittel nützen nichts! 
Daher kann unsre Parole nur sein: Moses und Pythagoras hübsch folgen! 
Einigen Trost will ich meinen schweinelüsternen Lesern aber doch geben, 
indem ich ihnen noch mitteile, wie man an Trichinose Erkrankten mit Wasser 
beisteht. Ein Wasserfreund, H. Wisliceny, schreibt darüber folgendes: 
In Hedersleben bei Quedlinburg behandelte ich die Trichinenkranken 
und rettete alle die, welche noch nicht zu stark bearzneiet waren; die Leute 
waren stark geschwollen und lagen vielfach in heißem Fieber. Die Äizte gaben 
Benzin zu trinken, sage Benzin! Dieses scharfe Fleckenwasser, was äußerlich 
die Haut so stark angreift, wie soll das eingenommen wirken, wenn es auf
	        
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