Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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eben weil dieselben im Blute und in den Geweben des lebenden Organismus 
sich nicht zu vervielfältigen vermögen, vielmehr darin unfehlbar zu 
Grunde gehen. Sehr hübsch ist letzteres, wenn auch eoutre coeur, von 
A. Hiller illustrirt worden, als derselbe noch ein Mann nach dem Herzen des 
alten Skeptikers, d. h. fanatischer Gegner der Bakterientheorie und noch nicht + 
mit deren Lehren hinreichend bekannt war. Derselbe spritzte sich nämlich 
wiederholt in seinem Auditorium vor seinen Hörern Flüssigkeiten, welche Fäulnis- 
Bakterien enthielten, unter die Haut ein, ohne daß es dadurch zu einer 
Erkrankung kam. Wenn übrigens der alte Skeptiker den früher gemachten 
Witz, das Bad. termo müsse alle anderen Bakterien totbeißen, auch in seinem 
jüngsten Elaborate immer von neuem auftischt, so beweist er damit doch sehr 
deutlich, wie wenig er aus meinen, so sehr von ihm perhorreszirten „Belehrun 
gen" profitirt hat. Mir scheint, er nimmt noch an, die Fäulnisbakterien wir 
ken ähnlich, wie die chemischen Fermente (Enzyme); ihre Wirkung beruht 
aber — wie die aller anderen Spaltpilze — einzig und allein auf ihrer 
Vegetation, die indeß nur bei gehöriger Ruhe, Wärme, Feuchtigkeit und Nah 
rung vor sich geht und bei der nicht bloß ein Nährstoff- (namentlich Sauer 
stoff-) Verbrauch, sondern auch eine Zersetzung des Substrates mit Kohlen 
säure-Ausscheidung stattfindet. Da nun bei Bad. termo die Vermehrung 
(durch Auswachsen an beiden Enden und Teilung in der Mitte) bei wei 
tem schneller, als bei allen pathogenen (krankmachenden) Bakterien erfolgt, 
so müssen letztere, wenn sie in einer Nährflüssigkeit mit Fäulnisbakterien 
zusammenkommen, im Kampfe ums Dasein stets unterliegen. Von * 
einem „Totbeißen" solcher Krankheitserreger durch Bact. termo in der Luft 
oder im trockenen Erdboden kann gar nicht die Rede sein. Augenscheinlich 
weiß auch der alte Skeptiker nicht, daß es pathogene Spaltpilze (Bazillen) 
giebt, welche Sporen (Samen) abschnüren, die weder durch Eintrocknung, noch 
durch Fäulnis (Einwirkung von Baet. termo) ihre Keimfähigkeit, resp. ihre 
krankmachenden Eigenschaften einbüßen. Seine höhnischen Bemerkungen, das 
Baet. termo wäre das wahre spezifische Desinsiziens für die ganze Welt und 
müsse auch in der Schwindsuchtsspucke die Bazillen vernichten (das wohl, 
wenn die Vertrocknung des Auswurfs nicht zu rasch vorwärts schreitet, die 
stets vorhandenen Sporen des Bacillus tuberculosis aber niemals!), sind 
also nicht bloß ganz überflüssig, sondern geradezu lächerlich. 
Wie leicht hätte er sich, wenn auch nicht durch die Lektüre gegnerischer 
Schriften, so doch durch das Studium bakteriologischer Werke und durch einige 
Reinkulturen und Tierexperimente Klarheit über dieß alles verschaffen können; 
aber freilich, sich hinter dem Widerwillen vor allem Schmutze und der Mit 
gliedschaft bei einem Anti-Vivisektions-Vereine zu verschanzen und dem Gegner 
Verstöße gegen die Logik, Widersprüche u. dergl. m. vorzuwerfen, macht viel 
weniger Mühe und bei vielen Lesern bedeutend größeren Effekt! 
Welche verworrene Begriffe er über das Wesen und Wirken der Fäulnis- » 
Bakterien noch hat, beweist er auch pag. 85, wo er über meine „Diagnosen aus 
Spucke" spöttelt und, nachdem er meinen Fund von riesigen Mengen solcher 
Spaltpilze bei einem an Bronchiektasie Leidenden erwähnt, triumphirend aus 
ruft: ,,Ei, steh da, also in die lebende Lunge kommen sie doch!" Ich glaube, 
ein Kind begreift, daß, wenn diese Bakterien in der Atmosphäre schweben, sie 
mit der Athemluft auch in die menschliche Lunge gelangen müssen. Allein 
sie vermehren sich darin nicht, so lange dieselbe normal funktionirt. 
Jedenfalls weiß nun aber der alte Skeptiker nicht, daß es sich bei der 
eben genannten Krankheit um spindelförmige oder sackartige Erweiterungen ein- &
	        
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