Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

er seine Mittel in Gestalt einer Salbe an, die aus Eierklar und Ol bestand. 
Um über 10 fl. Eier wurden während der Behandlungszeit von 8 bis 9 Wochen 
durch den Bauern Versalbert und die Leidende war wieder um 9 Wochen dem 
Grabe näher. Nach dieser Zeit erklärte der Bauer, er könne der Kranken 
wohl nicht mehr helfen und da die Frau schon längst ein inneres Leiden habe, 
so mögen sie sich wieder an, einen Doktor wenden. Statt einem kamen nun 
zwei, der Homöopath Dr. W/'unter Assistenz des k. k. Bezirksarztes Dr. G-,^ 
15 Tage noch wendete der erstere seine Mittelchen an, bis sich endlich der 
beste Freund des Kranken einstellte, der Tod; sie starb am 3. Januar 1884. 
Noch sei bemerkt, daß eine sogenannte Krankendiät während der langen Be 
handlungszeit gar nicht in betracht kam; die Frau konnte essen und trinken, 
was nach ihrem Geschmacke war. 
Dies alles ist die wortgetreue Wiedergabe dessen, was mir Herr Hinter- 
wirth persönlich mitteilte. Noch fügte er bei, daß die Kunst der Doktoren mit 
150 fl. bezahlt werden mußte, und daß er an die Apothekerküchc 124 fl. ab 
zuführen hatte, und welche Delikatessen wurden dafür der Armen verabreicht? 
Nur einen kleinen Teil der Rezepte vermochte ich von Herrn Hinterwirth noch 
zu bekommen und diese weisen starke Geschütze auf, welche in der Giftbude zu 
haben sind, als: Chinin, Morphium, Opium, Salizil, Bilsenkraut, Digitalis, 
Chloroform, Chloralhydrat, Rizinus, Aloe, Safran, Zimmt, Tannin, Terpen 
tinöl, Opium-Tinktur, Opium-Extrakt u. s. w. Dies alles teils äußerlich zu 
Schmieren, teils innerlich, um? Nun, um das Naturheilvermögen mit allen 
Kraftmitteln totzuschlagen I 
Wahrlich, hätten diese Herren meine Frau in Behandlung bekommen, die 
hätten sie in diesem langen Zeitraume, in dem sie diese Frau Hinterwirth mar 
terten, wenn es je möglich gewesen wäre, wohl 10mal umgebracht. Und was 
ist der Schlußakt dieses langen Dramas? Die beiden zuerst behandelnden Vater 
und Sohn, der Arzt K. und der Dr. K., klagten diesen Bauersmann wegen 
Kurpfuscherei, der auch, vom Gerichtshöfe verurteilt, dafür 14 Tage strengen 
Arrest bekam. Ja wohl, süß ist die Rache, aber auch pfiffig ists, für begangene 
Dummheiten einen Sündenbock gefunden zu haben! 
Sehen wir uns bei dieser Gelegenheit nochmals die Ratschläge an, die mir 
gegeben wurden, als ich einige der hervorragendsten Ärzte im Krankheitsfälle 
meiner Frau konsultirte. Jeder wußte ein andres Mittel und was der eine 
für gut fand, ward vom andern als schädlich erklärt. Würde ich noch ein 
Dutzend andre Ärzte befragt haben, so wären mir gewiß ebenso viele verschie 
dene Auskünfte zu teil geworden. Und das soll Wissenschaft sein! ? — 
Gewiß ist, daß kein Chor vielstimmiger und disharmonischer gedacht werden 
kann, als der von den Äskulapspriestern intonirte und ihre Glaubenseinheit 
hieße richtiger Glaubensvielheit, Glaubenszerrissenheit. Eines Sinnes sind sie 
einzig nur dann, wenn Unapprobirte ihnen in das Gehege ihrer Praxis, in 
ihre Zunftinteressen kommen; nur dann allein erschallt ein einstimmiges: „In 
Karzer mit ihn:!" Im übrigen aber gilt noch heute wie schon im alten Rom 
der Spruch: medicus medicum odit! 
Es fällt mir nicht ein, weitere Reflexionen an die vorgeführte Historie 
knüpfen zu wollen, nur eines erlaube ich mir hervorzuheben. Wenn diese 
Schenkelgeschwulst der Wöchnerin zu einer heftigen Entzündung im Kniegelenke 
sich schließlich zuspitzte, so ist dies einzig und allein die Folge der Eisanwen 
dung namentlich in dieser wütenden Form — Tag und Nacht! Wochenlang! 
Die natürliche Folge mußte davon eine Metastase sein, die nun in dieser Ent 
zündung zum Ausbruche kam. Dazu kam noch die ganz unrichtige Behand
	        
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