Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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die täglich stereotypen Fragen richtete, erklärte ich ihm, daß ich von jetzt an 
konsequenter nach den Weisungen des Herrn Wolbold vorgehen werde, der 
meine Behandlungsweise als ganz entsprechend erkennt und überdies noch andre 
gute Ratschläge mir erteilte. Nun wars geschehen! Es wechselten unsere 
Ansichten, doch er fand alles lächerlich, mindestens unwissenschafllich — (nota 
■bene — alles in Gegenwart der kranken Wöchnerin) was bereits geschehen 
und was Herr W. mir zu thun empfahl. Sein letztes Wort war: Ich sehe 
schon, wir zwei kommen nicht auf einen Weg — das glaub ich auch, war 
meine Antwort; ich empfehle mich, neuerdings die seine, und der Medizinmann 
kam mir nicht mehr ins Haus. 
Ich dankte den Göttern, später auch ihm schriftlich dafür, daß er mich 
endlich verstand. 
Der leidende Fuß war aber gerade zu dieser Zeit im bedenklichsten Zu 
stande. Zwei Tage geschah am selben gar nichts mehr, er glich mehr einer 
unförmlichen Masse, die leblos dalag, steinhart, steif und schmerzhaft war. 
Die Frau war moralisch gebrochen, war apathisch für alles und als ich ihr 
erklärte, cs müsse der Fuß in Behandlung genommen werden, war ihre Ant 
wort: „Thu, was Du willst, ich sehe ohnehin, sterben muß ich so, bringt (ich 
und Wolbold) mich also schnell um." 
Bei der großen Reizbarkeit ihres ganzen Nervensystems konnte ich nur mit 
der mildesten Wasseranwendung an sie herantreten. Erwähnt sei, daß ich nur 
ein einziges mal ein sehr mildes Halbbad anwendete und selbst damit geschah 
schon zu viel. Ich beschränkte mich daher nur auf eine sehr kurze Abreibung 
mit stark ausgerungenem Handtuche (in kaltes Wasser getaucht!) morgens und 
häufig auch abends namentlich, wenn sich Fieberhitze zeigte, und dies war alles, 
was mit der Körperhaut im allgemeinen geschah. Die Faßpackungen wurden 
aber von jetzt an konsequent in folgender Weise vorgenommen. Kühlende 
Umschläge wechselten mit den erregenden häufig ab und besonders fanden die 
ersten ihre Anwendung, wenn die letztern von der Kranken nicht mehr gut ver 
tragen wurden. Von 9 Uhr abends bis ungefähr 4 Uhr früh ward mit den 
Packungen ausgesetzt, um der Frau einige Stunden der Ruhe zu belassen und 
die sich erleichtert fühlte, wenn der Fuß diese Packung nicht an sich trug. 
Und worin bestand diese? Der Fuß wurde, wie schon erwähnt, von der Zehen 
spitze bis nahe ans Hüftgelenk in folgender Weise eingepackt. Vier Handtücher 
von mehr grober Leinwand wurden in brunnenfrisches Wasser getaucht, bezw. 
eine kurze Zeit darinnen liegen gelassen, hernach etwas ausgedrückt, so daß sie 
nicht mehr trieften und damit wurde nun beim Vorderfuß beginnend der Fuß 
von unten bis oben gut angezogen umwickelt. 
Dieser nassen Wicklung folgte ebenfalls mit Handtüchern eine trockne und 
auf diese erst eine Wicklung mit Flanell und diese dreifache Umhüllung wurde 
noch mit Kautschuk allseitig abgeschlossen und gut verbunden. Diese waren 
nun die sogenannten erregenden oder austösenden Umschläge, die aber nicht 
etwa, wie der sonst sehr tüchtige Regimentsarzt meinte, präzise 4 Stunden 
liegen bleiben müssen, sondern stets nur so lange, als sie die Kranke gut ver 
trug. Gewöhnlich wurden sie alle 3 Stunden gewechselt und nachdem der 
Fuß ausgewickelt war, folgte stets unmittelbar eine Abwaschung desselben mit 
frischem Wasser. Die Erfolge dieser Umschläge erwiesen sich geradezu wunder 
bar. Nach 3 bis 4 Tagen fing die Geschwulst an, weich zu werden und die 
Zehen waren schon ziemlich bewegbar. Nach weiteren Tagen war die ganze 
Wadenpartie vollständig weich und ebenso der Oberschenkel, der jedoch in seinem 
obersten Ende einen großen Sack bildete und der mich insofern ängstigte, als
	        
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