Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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meiner wasserärztlichen Praxis bestärkte, andernteils noch solche Weisungen 
gab, die, wenn genau ausgeführt, am schnellsten zum Ziele geführt hätten. 
Dem Hausarzte war bei der Sachlage des Fußes nicht mehr recht geheuer 
und er ließ den Wunsch durchblicken, einen zweiten Doktor beizuziehen. Len er 
auch mir namhaft machte, welche Zumutung ich jedoch entschieden zurückwies — 
mir war schon ein Mediziner zu viel, umso weniger hätte ich zwei am Kranken 
bette meiner Frau vertragen. Doch nahm ich von diesem Momente an jetzt 
Anlaß, einige andere namhafte Arzte zu konsultiren und zwar nur der Kranken 
wegen, die erfahren sollte, was sie von ihrem Zustande halten und was diese 
anzuwenden für gut fänden. ^ 
Der erste war Prof. Dr. Th., dem ein größeres Gebärhaus seiner Leitung unter 
steht. Das Fazit einer längeren Unterredung war: «Wenn Sie Ihrer Frau 
kein Medikament geben lassen. kann ihr nicht geholfen werden, sie wird zu 
Grunde gehen; Chinin ist bei Fieber unbedingt notwendig!" Ein schöner Trost 
dies, dachte ich, verschwieg aber beim Hausarzte und bei der Kranken ange 
kommen diesen Orakelspruch, für mich galt er ja nichts, für die beiden aber^ 
wäre er maßgebend genug gewesen, nach Gift zu greifen. Ich konsultirte Dr. H., 
einen alten, sehr gesuchten, erfahrenen Mann; und was riet der? „Geben 
Sie der Frau ja kein Medikament, lassen Sie gegen die Fußgeschwulst ja keine 
Einreibungen vornehmen und speziell nicht Jod; lassen Sie vielmehr durch eine 
warme, trockene Packung des Fußes die Verdunstung eintreten." Ich konsul- 
tirte einen dritten, den Arzt O?; sein Ausspruch war: „Salyzil ist das beste 
innerlich (ja nicht Chinin!), Jodsalbe das einzig richtige gegen die Geschwulst 
äußerlich!" Ich konsultirte einen vierten, Dr. S.^ein sehr gesuchter, pensio- 
nirter Regimenlsarzt. Bei Fieber wäre wohl auch dieser für die Verabreichung 
von Chinin gewesen, doch für die Behandlung der Schenkelgeschwulst riet er 
den Prießnitzumschlag mit der für einen Laien etwas bedeutungsvollen Be 
merkung: „präzise 4 Stunden!" Ich habe die vollste Überzeugung, daß, wenn 
ich noch ein Dutzend andere Mediziner befragt hätte, jeder ein anderes Mittel 
anzugeben gewußt hätte. Nun denke man sich dieses Quartett am Kranken 
bette zu einem Konsilium versammelt, welch lateinischer Gallimathias da zur 
Welt geschaffen würde! 
Dieses alles vollzog sich in der Zeit zwischen dem 12. und 17. November. 
Was ich in derselben moralisch litt, ist geradezu unbeschreiblich. In meiner 
Heimat die dem Tode zureifende Mutter (sie starb am 19. Januar 1884), die 
ich trotz der Entfernung auch in dieser Zeit wiederholt besuchte; hier das größte 
Elend mit der Frau, die immer noch mehr an den Urteilen der Mediziner mit 
größerm Vertrauen hing, als an der einzig richtigen naturgemäßen Behandlung 
ohne Medikamente. Viel trug dazu bei so manche bespöttelnde Äußerung über 
meine Behandlungsweise mit Wasser durch den die Frau täglich besuchenden 
Dr. v. P. Die Umstände ganz richtig beurteilend schrieb mir auch Herr Wol- 
bold, daß ich nicht eher ans Ziel kommen werde, dis ich nicht den Herrn 
Medikus entfernt haben werde. Dazu fand sich Gelegenheit am 17. Novbr. 
Durch mehre Tage schon war mein Geist vollständig zusammengedrückt, ich 
war nahezu nicht mehr denkfähig und hätte bald alles geschehen lassen, was 
man stets zu thun willens war. Doch mit einemmale erwachte meine eiserne 
Konsequenz, meine Überzeugungstreue flammte in mir neuerdings riesenstark 
auf und ich erklärte der Frau, daß jetzt endlich geschehen müsse, was ich für 
gut finde. 
An diesem 17. November war nun der Fuß wieder eingepackt und über 
dies trug dre Frau eine Leibbinde. Als der Doktor sie besuchte und an sie 
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