Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

105 
noch, als ihr Zustand ein hohes Stadium schon erreicht hatte. So sahen wir 
nun einer glücklichen Entbindung entgegen. Am 28. Oktober 10 Uhr abends 
brachte sie einen wohlgenährten, gesunden, frischen Knaben zur Welt. Der 
Geburtsakt nahm einen ganz normalen Verlauf bis auf die Nachgeburt. Nach 
dem eine Stunde vorüber war und die Lösung resp. Abstoßung derselben noch 
nicht stattfand, verlangte die Hebamme nach dem Arzte. Or. v. P. erschien 
um 11 Uhr und ohne weiteres Zuwarten war die Operation geschehen — 
unter den heftigsten Schmerzen ward der Mutterkuchen entfernt, welcher Arbeit 
aber gleichzeitig ein starker Blutverlust folgte. Damit nun wars geschehen, 
eine solche Schwäche befiel die Wöchnerin, daß sie sich nur mit dem Aufgebote 
all ihrer Geisteskräfte bei klaren Sinnen zu erhalten vermochte. Mit dieser 
verzweiflungsvollcn Schwäche stellte sich ein heftiger Husten ein. der sie Nacht 
und Tag quälte, durch viele Tage nie zum Schlafen kommen ließ und so die 
ohnehin Erschöpfte ganz von Kräften brachte. Trotz alledem wurde ein Still 
versuch mit dem Kinde gemacht, wiederholt legte die Mutter den Kleinen mit 
weinenden Augen an die Brust; Alwin zeigte ein Wohlbehagen, das die höchste 
Seligkeit verriet. Doch blieb es bei einem mehrmaligen Versuch, dem Kinde 
mußte das höchste Glück versagt werden, die Schwäche der Wöchnerin war zu 
groß. 
Obwohl sie nahezu nichts aß, beständig hustete, nie schlief, einen Pulsschlag 
von 120 bis 130 in der Minute hatte, sich auch zeitweise Fieber einstellte, 
verließ die Wöchnerin dessenungeachtet am vierten Tage das Bett auf eine 
Stunde, die folgenden Tage auf noch längere Zeit bis zum 8. und 9-, an 
denen sie das Bett hütete. Von dieser Zeit an fühlte sie auch eine eigentüm 
liche Schwere in den Füßen. Am 12. Tage war der Anfang des langen, 
schweren Leidens für uns beive; der linke Fuß fing zu schwellen an und zwar 
so rapid, daß er im Verlaufe des Tages zu einer bedeutenden Größe anwuchs, 
vr. v. P., der von der Zeit an, als er an ihr die Operation vornahm, sie 
täglich besuchte, um, wie es für mich den Anschein hatte, die cxpcktative Be 
handlung anzuwenden, da ich absolut kein Medikament zuließ, wurde bei dieser 
Erscheinung des Fußes stutzig. Der Fuß hatte am folgenden Tage nahezu die 
doppelte Größe des gesunden, war steif, hart, unbeweglich und sehr schmerzhaft; 
nur mit der größten Vorsicht konnte man ihn von einer Stelle zur andern legen. 
Ich sah die Zeit für mich gekommen zu handeln. Vor allem wendete ich 
die kühlenden Umschläge an, ich packle den Fuß von der Zehnspitze bis zum 
Hüftgelenk mit in kaltes Wasser getauchten und gut ausgerungenen Tüchern 
ein, ließ bis zum Erwärmen dieselben um den Fuß und erneute sie dann 
wieder. Dies geschah nur immer den Tag über, für die Nacht ließ es die 
Frau nicht zu, da sie auf einen Heilerfolg dieser Kurweise leider nicht viel 
Vertrauen halte und worin die Arme durch manche abfällige Bemerkung des 
Dokiors erst recht bestärkt wurde. Der erste Erfolg dieser Umschläge, die schon 
öfters mit dm erregenden abwechselten, war, daß die Leidende in die Lage 
kam, die Zehen etwas zu bewegen, welche Erscheinung für mich das beste An« 
zeichen einer guten Wirkung war und ich sagte mir: Nur so fortfahren! Doch 
was gebar die Weisheit des Mediziners? Wieder aussetzen mit den Umschlägen, 
war die Anordnung; natürlich war damit am besten die Frau einverstanden. 
Einen Tag wurde also mit den Umschlägen pausirt; die Folge war, daß die 
Geschwulst möglichst noch härter wurde und die Zehen waren wieder so steif 
wie ehedem. Gleich beim Beginne dieser Krankheitserscheinung wendete ich mich 
an Herrn Wolbold und bat ihn um seinen Rat. Ungesäumt antwortete er 
telegraphisch und ein längeres Schreiben folgte, worin er mich einesteils in
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.