Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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berechtigtes Standcs-Bewußtsein verletzte, Sie bewog, plötzlich Ihren Ton zu 
ändern. 
Sie werden mir deshalb gewiß den Versuch gestatten, Ihnen denselben 
plausibel zu machen und Ihre Einwendungen zu widerlegen. 
Obwohl an dieser Stelle ausschließlich von der ärztlichen Behandlung der 
Diphtherie die Rede sein soll, so will ich doch, um weiterhin nicht mißverstanden 
zu werden, vorausschicken, daß in einem allgemeinen Sinne keines der ver 
schiedenen Heilverfahren, keine Spezial-Doktrin den ausschließlichen Anspruch auf 
Sufficienz erheben darf. Diese müssen sich vielmehr die Hand reichen, wenn 
überhaupt dem Kranken alle diejenigen Vorteile gewahrt und gewährt werden 
sollen, welche der heutige Stand der Gesamt-Medizin ermöglicht. Welchem 
therapeutischen Gebiete auch Einer speziell sich möge zugewandt haben, er wird 
oft genug in die Lage kommen, gewissenhaftcrweise bei denjenigen zu borgen, 
welche in anderen Gebieten besser zu Haus sind, als er selbst es ist. Der 
Hydrotherapeut wird ebensowenig als der Homöopath bald den Beistand des 
Chirurgen, bald den des Geburtshelfers, bald zu genauerer Feststellung der 
Diagnose den des Chemikers vom Fach, oder den der untersuchungssertigeren 
Spezial-Ohren- und -Augenärzte u. s. w. entbehren können. Indem ich, für 
meine Person» dazu mich bekenne, liefere ich Ihnen den Beweis, daß ich nicht 
geneigt bin, die Homöopathie für schlechthin susficient zu erklären. Auch erlaube 
ich mir, Sie noch besonders darauf aufmerksam zu machen, daß ich den von 
Ihnen mit einem zweimaligen „Oho!" begrüßten Satz ganz allgemein ver 
standen und hingestellt habe, während Sie ihn lediglich auf die Diphtherie 
anwenden. 
Darnach werden wir uns nun besser verständigen können, wenn ich mich 
speziell zu der letzteren wende. 
Da habe ich denn allerdings in meiner Konkurrenzschrift die Sufficienz der 
homöopathischen Behandlung, speziell vermittelst des Cyan-Quecksilbers, ver 
treten, indem ich mich auf eine achtzehn- — (heute zwanzig-) — jährige klinische 
Erfahrung stützte. Wenn Sie nun, verehrter Herr, dagegen behaupten, Sie 
würden, während mich die in dem ausführlich geschilderten Falle von Diph 
therie zuerst von nur angewandten, gegen verschiedene Arten von Angina 
bewährten Heilmittel im Stiche ließen, in der Hälfte der Zeit vermittelst der 
hydrotherapeutischen Apparate einen vollständigen Heilerfolg herbeigeführt haben, 
so werden Sie von mir weder ein „Oho!" vernehmen, noch die apodiktische 
Versicherung, „daß ich mich damit nun und nimmermehr ein 
verstanden erklären könne," noch den parodirenden Ausruf: 
„Allah ist groß, und Prießnitz ist sein Prophet!" Ich werde 
mir vielmehr nur die Frage erlauben, zu welchem Zwecke Sie denn den meine 
Konkurrenzschrift behandelnden Aufsatz versaßt und in Ihrer geschätzten Zeit 
schrift veröffentlicht haben? Sie würden meines Erachtens besser gethan haben, 
sich Ihrerseits an der von I. Maj. der Kaiserin veranlaßten Konkurrenz 
zu beteiligen und die Herren Preisrichter mit den Erfolgen der von Ihnen 
vertretenen Heilmethode bekannt zu machen. Sie würden als Hydrotherapeut 
seitens dieser Herren viel eher auf Berücksichtigung haben rechnen können, als 
ich, der ich auf den ersten Seiten der meinigen mich als Homöopath entpuppt 
habe. Ich mcinesteils unterfange mich nicht, Ihre Versicherung, „daß Sie 
meinen ersten diphtherischen Kranken in zwei bis drei Tagen schulfähig 
gemacht haben würden," in Zweifel zu ziehen; noch werde ich mich gegen die 
Annahme sperren, daß Sie dazu hinreichenden thatsächlichen Grund werden 
gehabt haben. Dann aber ständen in betreff der erfolgreichen Behandlung der
	        
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