Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

Wohlhabende Leute kleiden sich im Allgemeinen, was die Warmhaltung des 
Körpers anbelangt, ziemlich zweckmäßig, der Jahreszeit, Witterung und Lebens 
alter entsprechend, doch kommen auch bei ihnen noch manche Fehler vor: der 
Eine verzärtelt sich durch allzuwarme Kleidung, der Andere wirft sich da 
gegen einem unvorsichtigen Abhärtungssysteme gedankenlos in die Arme. 
Beides ist natürlich unzweckmäßig: wer gewohnt ist, auf jeden unbedeutenden 
Temperaturunterschied der Außenluft zu achten und sich in seinem Anzug sorg 
fältig darnach zu richten, vermindert seine Widerstandsfähigkeit den Witte 
rungseinflüssen gegenüber in einem solchen Grade, daß er schließlich gar nichts 
mehr ertragen kann und als jämmerlicher Sclave seiner Kleidung ein elendes 
Dasein führt. Andererseits kann aber auch das Streben nach Abhärtung 
u weit getrieben werden (viele Rikli)! Die Abhärtung muß darauf hin 
zielen, die Reguliruug des Wärmeabflusses vom Körper so viel wie möglich 
der Selbstthätigkeit des letzteren zu überlassen und diese Fähigkeit des Organis 
mus durch Kühlhalten der Haut und leichte Kleidung so zu entwickeln, daß 
selbst bedeutende Temperatursprünge, auch ohne Aenderung in der 
Kleidung, gut ertragen werden. 
Nachdem ich zum besseren Verständniß als Einleitung vorstehende Sätze aus 
der heutigen Hygieine nach P e t t e n k o f e r und Anderen vorausgesandt, lasse 
ich Professor Jägers Belehrung über seine N o r m a l k l e i d u n g und am 
Schlüsse derselben von Dr. med. Bilstnger in Hall eine Kritik derselben 
folgen, wonach dann Jeder thun kann, was ihm beliebt — oder was ihm sein 
Geldbeutel erlaubt! 
Motto: Ihr, Ihr dort außen in der Welt, 
Die Nasen eingespannt! 
Auch manchen Mann, auch manchen Held, 
Im Frieden groß und stark im Feld, 
Gebar das Schwabenland! 
Mein Bekleidungssystem , dessen fachmännische, übrigens jedem wissen 
schaftlich Gebildeten zugängliche Begründung in meinen zwei Druckschriften: 
he n festigkeit und Konst itutionskr aft “ und „Ent deck - 
Seele“, beide Ernst Günther's Verlag, Leipzig, und im „Deutschen 
Familienblatt“ Jahrgang 1879 (Stuttgart, W. Kohlhammer’s Verlag) niedergelegt 
beruht auf zwei Prinzipien. 
1. Auf der Wahl des Stoffes. 
Der Körper giebt stets a) übelriechende, sogenannte Dnluststoffe, b) wohlriechende, 
sogenannte Luststoffe ab. Die Holzfaser (Leinen und Baumwolle) hält die 
ersteren fest und lässt die letzteren entweichen (wird also beim Tragen stinkend); 
die thierische Faser (Schaf- und sonstige Thierwolle) verhält sich umgekehrt 
(wird beim Tragen wohlriechend). 
Wer also ganz in Holzfaser gekleidet ist, steckt in einer Atmosphäre von 
Unlustgasen, die a) erkältend und ausdünstungsvermindernd auf die Haut, b) durch 
Einathmung des aufsteigenden Kleider dunstes niederdrückend auf die Gemüths 
stimmung wirken und c) aus beiden Gründen einen grösseren Wassergehalt (Ver 
weichlichung) aller lebendigen Gewebe und dadurch eine höhere Zersetzbarkeit 
(Affizirbarkeit) derselben erzeugen. Die Folge ist Neigung zu Erkältung, Ueber- 
hitzung, Ansteckung durch Seuchen, freud- und muthlose Stimmung und un 
günstige seelische Beeinflussung der Umgebung, welche diese Ausdünstung ein- 
athmen muss. Dies kann blos dann gemildert werden, wenn die ge sammt e 
Kleidung und nicht blos die Leibwäsche fieissig gewaschen wird. 
Wer dagegen durchaus in Thier wo Ile gekleidet ist, steckt in einer Atmo 
sphäre aus Lustgasen, welche a) wärmend und ausdünstungsbefördernd auf die 
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