Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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Das Hauptwerkzeug des Geschmackssinnes, die Zunge, wird leicht zu 
ihrer Geschmacksverrichtung untauglich gemacht, theils durch Veränderungen 
und Verletzungen ihrer Schleim- und Oberhaut, theils durch Entartung der 
Geschmackswärzchen und Ueberreizung der Nerven derselben. Wem also daran 
gelegen, sich eine feinschmeckende Zunge zu bewahren, der vermeide den Genuß 
scharfer, brennender, stark gesalzener und gewürzter Speisen und Getränke, den 
raschen Wechsel von Heiß und Kalt, rauche, wenn es ohne Rauchen nicht geht, 
nur Pfeife oder Cigarren mir der Spitze, dulde durchaus keine scharfen Zahn- 
kanten und reinige sich den Mund recht fleißig mit frischem Wasser. Bei 
läufig will ich hier noch bemerken, daß sich eine außerordentliche subtile Ge 
ruchs- und Geschmacksempfindung durch die v e g e t a r i a n i s ch e Lebensweise 
erwerben läßt, eine Thatsache, die ich nicht blos aus den Werken der Vege 
tarianer kenne, sondern jedesmal an mir selbst erfahren habe, wenn ich einige Monate 
lang Alles, was vom getödteten Thiere stammt, Gesalzenes, Gewürztes, 
Kaffee, Bier, Wein, überhaupt jedes Reizmittel streng vermied. (Forts. folgt.) 
Jur Veklei-imgsfrage. 
Vom Herausgeber. 
Man sollte glauben, daß im Punkte „Bekleidung" die Acten durch 
die Errungenschaften der Wissenschaft, wie mehrtausendjähriger Erfahrung, der 
besten Lehrmeisterin, längst abgeschlossen wären; dem ist aber doch nicht so, 
denn sonst könnte nicht neuerdings der medizinische und chirurgische Doctor 
Gustav Jäger, Professor an der polytechnischen Schule in Stuttgart, mit der 
Entdeckung oder Erfindung einer „ N v r m a l k l c i d u n g " hervortreten, welche 
unsere moderne Kleidung beiTag wiebeiNacht total überdenHaufen 
wirft und als unzweifelhafte Wirkung ihres Gebrauches — eine nie zuvor 
besessene Seuchenfestigkeit und Constitutionskraft in Aussicht stellt. 
Bekanntlich hat unser Organismus die Fähigkeit, die Größe des Wärme 
verlustes von seiner Körperoberstäche zu jeder Zeit dem Zustand der umgeben 
den Luft anzupassen, aber nur bis auf einen gewissen Grad, so daß es ohne 
weitere Hilfe dem Menschen — dem einzigen nackten Geschöpfe der Erde — 
nicht möglich wäre, den Kampf mit Klima und Witterung, welche oft durch 
sehr große oder durch sehr geringe Wärmeentziehung störend einwirken, erfolg 
reich zu bestehen. Es ist nun aber die Kleidung, welche unserem Orga 
nismus hier unter die Arme greift und die Wärmestrahlung reguliren hilft, 
von welcher unser Wohlbefinden so wesentlich abhängt, denn wir können be 
kanntlich eher eine Zeit lang Nahrungsmangel ertragen, als länger andauernde 
Störungen unserer Wärmeökonomie. 
Zu dieser wichtigen Rolle werden die Kleider befähigt durch die Eigen 
schaften der Stoffe, aus denen man sie anfertigt und in deren Wahl der 
Mensch durch Jnstinct und Erfahrung geleitet wurde. Warum aber dem 
Menschen die weise Natur nur die bloße Haut gegeben hat und nicht auch ein 
besonderes Fell wie den Thieren, welches ihm wie jenen gegen Kälte wie Hitze 
gleich guten Schutz gewährte, das hat uns auch noch kein Naturforscher be 
greiflich gemacht! Die zu unserer Kleidung verwendeten wenigen Materialien 
gehören nun theils dem Pflanzen-, theils dem Thierreiche an und die 
Mannichfaltigkeit ihrer Verarbeitung ist nach und nach eine sehr große gewor 
den, so daß sie uns befähigt, jedem Klima und jeder Witterung entsprechend 
uns bedecken zu können. Daß der Schutz unserer heutigen Kleidung sich nur 
auf Temperaturen bezieht, bei denen der Wärmeverlust vom unbekleideten Kör-
	        
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