Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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Nachtrag zu den medizinischen Merkversen. 
Jom Kerausgeber. 
(Fortsetzung.) 
Gehen wir auf die näheren Ursachen der Kindersterblichkeit ein und erinnern wir uns, 
wie ein grosser Theil der Kinder bald nach der Geburt anLebensschwäche zu 
Grunde geht! Hier müssten Massregeln getroffen werden, durch welche den in s c h 1 e c h- 
ten V erhält ni s s e n lebenden, kümmerlich ernährten, schwäch 
lichen, schwängern Frauen eine möglichst gute und kräftige Nahrung ver 
schafft würde und mit der Erfüllung dieser Aufgabe wäre den wohlthätigen Frauenver 
einen ein reiches Feld der Thätigkeit gegeben. Auch müssten solche schwangere Frauen 
vor allzuharter, anhaltender Arbeit, besonders Fabrikarbeit und schwerer Feldarbeit 
verschont bleiben. Gesetze können hier freilich schwer, der gute Wille der Fabrik 
besitzer leicht Erspriessliches bewirken. 
Hie häufigste Todesursache kleiner Kinder bleiben aber immer die Ver 
dauungskrankheiten in Folge unzweckmässiger Ernährung, in Folge des 
Nichtstillens Seitens der Mütter! Auch hier können wir von Gesetzen 
zunächst nichts erwarten; gezwungen zum Säugen können die Mütter nicht 
werden!* Belehrung, Bekämpfung der Vorurtheile bleiben gegen solche, welche 
stillen könnten, aber nicht wollen, das einzige Mittel (?) und wenn die zu 
nächst in solchen Fällen Berufenen, wenn Geistliche, Aerzte und Hebam 
men ihre Pflicht thun, dann sollte solch vereintes Bemühen doch wohl nicht ohne 
gute Folgen bleiben. Auch nach dieser Seite hat die Regierung gethan , was in 
ihren Kräften stand; sie hat die Hebammen auf’s Eindringlichste angewiesen, darauf 
hinzuwirken, dass die Wöchnerinwomöglich ihr Kindselbststillt, nun 
kommen aber leider die Hebammen dieser ihrer Pflicht selten genug nach! 
Nun können aber eben manche Mütter beim besten Willen ihr Kind nicht stillen; 
die einen, weil sie leidend sind, und die andern, weil die Noth sie zur Arbeit ausser 
dem Hause zwingt. Im letztem Falle lässt Abhilfe sich erwarten von gesetzlichen 
Bestimmungen, welche einen Schutz stillender Mütter in Fabriken anstreben, von dem 
guten Willen der Fabrikbesitzer, welche stillende Mütter zum Zwecke des Stillens 
beurlauben, ohne ihnen den Lohn zu entziehen. 
Noch war von einem Auskunftsmittel nicht die Rede , welches scheinbar hierher 
gehört, von dem Ersatz der Muttermilch durch die Milch von Amme n. 
Allein dieser Ersatz, so zweckmässig er an und für sich für die einzelnen Kinder 
wäre, kann von unserem Standpunkt aus eine B i 11 i g.u n g nicht erfahren, weil er 
nicht denkbar ist, ohne dass dem einen Kinde entzogen wird, was dem andern zu 
Gute kommt. Vollends aber darf der Staat, sich nicht in diese Sache mischen durch 
die Gründung, Beaufsichtigung und Unterstützung von Ammeninstituten, wie dies 
leider in Frankreich der Fall ist. Her Staat darf nicht begünstigen, dass das Kind 
des Reichen auf Kosten des armen Kindes bevorzugt werde. Von einer andern Ein 
richtung aber muss hier noch die Rede sein, welche zu den wohlthätigsten gehört, 
wenn sie auch bis jetzt die ihr gebührende Anerkennung noch viel zu wenig ge 
funden hat, von der Einrichtung sogenannter Krippen. In diesen wahrhaften Asylen 
für Säuglinge, in besondern, oft mit Gärten versehenen Wohnungen, werden kleine 
Kinder, welche nicht unter 6 Wochen und nicht über 4 Jahr alt sind, Kinder, deren 
Mütter den Tag über ausserhalb ihrer Wohnung arbeiten müssen, während des Tages 
beaufsichtigt, gepflegt, gebadet und gekleidet. Für ein jedes 
Kind ist eine besondere Lagerstelle hergerichtet und selbst ärztliche Pflege finden 
hier die Kleinen; sie werden genährt mit guter Kuhmilch oder es kommen auch 
wohl zu bestimmten Zeiten die Mütter, um ihren Kindern die Brust zu bieten. 
Hass in Bezug der Ernährung die unehelichen Kinder besonderer Berücksich 
* Anmerkung. Warum die Mütter, die füllen könnten, nicht dazu sollen gezwungen 
werden können, wenn man doch die nämlichen zur Impfung zu zwingen sich nicht 
scheut, kann ich nicht begreifen, denn das Stillen ist eine für das Wohl und Gedeihen 
des Kindes höchst nothwendige Lebensregel, während die Impfung nur im Schädel be 
sän g e n e r M e d i z i n e r als eine illusorischePrüservativ Maßregel steckt, 
die über kurz oder lang in die Rumpelkammer der Staatsheilkunde geworfen werden wird!
	        
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