Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

A it s sehe n Der Bortrag (?) war derart, daß cm nicht unbe 
deutender Theil der Zuhörer es vorzog, während desselben -—offenbar auf's- 
G r ü n d l i ch st e enttäuscht — den Saal wieder zu verlassen. In einem un 
endlichen Wortschwall und unter Heranziehung von tausend Dingen, die mit dem eigent 
lichen Gegenstände des Vortrags (resp. Vorlesung. D. R.) gerade soviel Verwandtschaft 
hatten, wie der Esel mit einem Saitenspieler, suchte der Redner seinen Zuhörern klar zu 
machen, daß Leute, welche d i ck seien — er nannte sie Ehestandsphilister —, deshalb noch 
lange nicht „gesunde Jungen" seien. Nebenher erging der Vortragende sich des 
Weiteren über seine sog. Ofen- resp. H e i z u n g s t h e o r i e in derselben Weise, in 
welcher er dieselbe bereits in verschiedenen dickleibigen Büchern breitgetreten hat. Summa: 
Dr. P. Niemeyer zeigte in mustergiltiger Weise, wie eilt Mensch in einem Zeitraum 
von einer Stunde fortwährend reden (resp. ablesen. D. R.) und dennoch buchstäblich g a r 
nichts sagen kann '.! 
Die Hamburger „Nachrichten" und das dortige „ F r e m d e u b l a t t" 
brachten ausführlichere Berichte. allein auch von den Berichterstattern dieser 
beiden Blätter hat k e i n e r den Umstand des A b l c s e n s hervorgehoben, oder 
nur beiläufig erwähnt, während doch jeder dieser Herren wissen muß, daß ein 
freier Vortrag und ein Ablesen eines Aufsatzes vom Blatte 
zweierlei ist und eine sehr starke Dosis Unverfrorenheit dazu gehört, 
sich für einen freien Vortrag aus weiter Ferne her engagircn zu lassen 
und dann gemüthlich sitzend vom Blatte abzulesen und dafür einen 
Preis zu verlangen wie für den patentesten freien Vortrag! Bezahlt man doch 
auch einen Opernsänger besser, als einen Schauspieler! Aus Chemnitz und 
Frankfurt a. M. wie aus Berlin und noch einigen andern Orten erhalte 
ich Zuschriften, worin mir das Ablesen auch überall dort bestätigt und hinzu 
gefügt wird, daß N. in Ch. M. 150, in Fr. M. 200 verlangt habe, während 
dieses Ablesen wie der Aufsatz selbst keine 15, resp. 20 Mark werth ge 
wesen seien! Von der Chemnitzer Vorlesung wird noch im Referat gesagt, 
daß man gerne gesehen hätte, wenn N. etwas specieller über die Art und 
Weise rationeller Ernährung, bez. Heizung des Körper ose ns sich 
ausgelassen hätte, da ja das Thema seines Aufsatzes „die Merkmale ge 
sunder Ernährung" betitelt war! Und im Referat über den wirk 
lichen dritten Vortrag des Prof. Riehl aus München im selbigen kauf- 
mänuischeu Verein in Chemnitz wurde angeführt, daß durch denselben die 
Schlappe „Niemeher" gründlich wieder ausgemerzt worden sei! 
Also nur an dieser elenden feigen Presse liegt es, wenn der ab 
lesende Sanitätsrath Dr. Paul Niemeyer ferner noch nach einer 
Stadt berufen wird Zwecks eines freien Vertrags über Hygieine und das 
Publikum dann sich getäuscht sicht, während N. sonst von keinem Orte 
mehr einen solchen Ruf bekommen würde, wenn man in Folge richtiger 
Berichte wüßte, daß Niemeyer gar nicht frei vortragen kann, 
sondern für M. 150 — 200 blos ablesen thut, was er für dasselbe Geld schon 
an verschiedenen anderen Orten abgelesen hat und für dessen Abdruck der 
Schlaumeyer sich zum Schluß von einem Verleger noch einmal bezahlen 
läßt! Das ist das neueste literarische Jndustrieritterthum!! — Nun wenn alle 
diese Zeitungsberichterstatter entweder Dummköpfe sind, die nicht wissen, was 
n ist nhrr frinp Kerle, die durcb ibr Scknveiaen das Publikum 
Sache,
	        
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