Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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nothwendigen Entfernung eines übereilten traurigen Gesetzes, das einen schmäh 
lichen Ä b e r g l a u b e it sanctionirt, das Ihrige beigetragen zu haben! 
Am 8. März d. I. stand nun Herr Oppenheim vor den Schranken 
des Landgerichtes, um gegen die ihm am 20. Dezember zuerkannte Geldstrafe 
von 150 Mark zu a p p e l l i r e n. Die Amtsanwaltschast hatte gleichfalls Berufung 
angemeldet, da ihr die Geldstrafe nicht angemessen dünkte und sie auf Haft er 
kannt wissen wollte. Herr O. legte dem Gerichtshof seine Ansicht klar und 
bemerkte, daß er sich keine Unannehmlichkeit verdrießen lassen werde, um sie zu 
verfechten und wünschte er, daß die Sache endlich einmal zum Austrag komme. 
Das erstinstanzliche Urtheil müsse er insofern als ein wohlwollendes bezeichnen, 
als ihm lediglich eine Geldstrafe, wenn auch eine hohe, und keine Haft zucrtheilt 
worden sei. Das Gesetz sei nur dazu angethan, den Aberglauben zu för 
dern und geschehe seine Renitenz gegen dasselbe nur aus dem Grunde, weil 
er es als unhaltbar betrachte! Die Staatsanwaltschaft beantragte, um dem 
Gesetz Achtung zu verschaffen, einen Tag Haft, wegen des einen Falles 
— es sind deren drei, welche in Rede stehen — und das Urtheil im Uebcigen 
zu belassen. Der Gerichtshof verwarf aber die beiderseitigen Urtheile und 
dekretirte: daß die Appellations-Kosten zur Hälfte dem 
Staate, zur Hälfte Herrn Oppenheim zufallen sollten! 
Das Gericht nahm wiederum an: daß Letzterer nicht aus böswilliger Absicht, 
sondern aus Prinzip gegen das Gesetz verstoße! 
Aus dem Vorstehenden könnte man schließen, daß Herr O. von jeglicher 
Strafe freigesprochen und blos hälftig zur Tragung der Gerichtskostcn 
herbeigezogen wurde! Dem ist aber nicht so, denn derselbe schreibt mir auf 
meine diesfallsige Anfrage Folgendes: 
Da ich weiter an das Oberlandesgericht appellirt habe, so ist mir der Betrag der 
Gerichtskosten noch nicht mitgetheilt worden! Als Euriosum will ich hier aber erwähnen, 
daß selbst meine mir am 4. August v. I. zuerkannte Jmpfstrase von M. 90, nämlich 
.50 M. für das älteste und je 20 M. für die beiden anderen Kinder, bis jetzt noch un- 
erhoben ist, aber gewiß deshalb nicht unterdrückt bleiben wird. Ich bin aber nicht frei 
gesprochen worden, sondern es wurde die Geld st rase von je 50 M. für ein Kind, also 
z u s a m m e n für drei Kinder M. 150, welche die erste Instanz erkannt hatte, 
gegen meine und die Appellation des Staatsanwaltes festgehalten! Mein Rekurs an das 
Öberlandesgericht verwirft nun diese Vervielfältigung des Strafmaßes von M. 50 
rrach Zahl der Kinder als nicht im Gesetz vorgesehen. Doch ist mir dieses Nebensache und 
bin ich schon froh, dieses Mal ein freundliches Urtheil erhalten zu haben, das den Wider 
stand indirekt als nicht unberechtigt anerkennt und ich mache mir die weiteren 
Kosten ganz ohne Aussicht auf Erfolg und nur um die Sache wach und in der Aufmerk 
samkeit des Publikums zu erhalten! Sie ersehen, daß ein Fortschritt in der Erkenntniß 
-allerdings stattfindet und ist derselbe in der Vergleichung beider Urtheile flagrant. Ich er 
hielt schon vor einiger Zeit wieder eine Vorladung; was weiter geschieht, weiß ich nicht, 
-kann es auch mit Ruhe abwarten, da mich das noch nicht ruinirt! Der Widerstand ist doch 
nicht unnütz, wie so Mancher meint, denn die Aufklärung kann nur damit gefördert 
werden und wenn Jedermann passiv bliebe, so kämen wir vielleicht in 50 Jahren nicht 
weiter! Und selbst angenommen, daß der Schwindel auch ohne Mithilfe aus dem Pu 
blikum durch die exacte Forschung seine Endschaft erreichen könnte (jedenfalls aber viel spä 
ter!), so ist es doch geistiges Bedürfniß mitzuhelfen dabei auf dem Wege der instink 
tiven Erkenntniß allgemeiner Wahrheitsbestrebungen." — 
Herrn O p p e u h e i m' £ Oppositionscourage ist nicht vereinzelt geblieben, 
sondern hat weitere Nachahmung gefunden! Ich erhielt vor Kurzem von Frei- 
bürg in Baden ein Heftchen, betitelt: Petition an den deutschen Reichstag, 
die Bitte um Aufhebung des Impfzwanges betreffend, worin dann 
noch die Jmpffrage vor dem Schöffengericht zu Freiburg am 23. Januar 1880 
geschildert wird. 
Ich entnehme daraus, daß an diesem Tage fünf dortige Bürger we 
gen Imp'f.Verweigerung angeklagt waren, unter ihnen der Fabrikant Carl
	        
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