Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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an der Wurzel zu fassen; jetzt »och länger hier zu bleiben, dazu würde er sich 
nur in dem Falle entschließen können, wenn sein Leben auf dem Spiele stände, 
er fühle aber, daß es so schlimm doch nicht mit ihm stehe, als Dr. Meinert 
ihm gesagt, oder daß aber die Behandlung seit Mitte September eine so gute 
Wirkung gehabt, daß er glaube cs wagen zu können, die eigentliche Kur bis 
zur günstigeren Jahreszeit hinauszuschieben; er frage mich nun, was meine 
Meinung sei? — Des Menschen Wille ist sein Himmelreich — Amen! — lau 
tete meine Antwort, freiwillig sind Sie zu mir gekommen, freiwillig können Sie 
auch jederzeit wieder fortgehen, ich halte Niemand länger auf, als er toill; 
auch ist es ja möglich, daß sich die weitere Behandlung ohne Schaden hinaus 
schieben läßt, wenn Sie absolut auf ein paar Monate jetzt nach Hause müssen, 
was aber ganz auf Ihre Rechnung und Gefahr geschieht! Ich hätte allerdings 
lieber gesehen, wenn Sie noch bis Neujahr hier geblieben wären und dann 
nach Pfingsten wieder auf ein paar Monate einrückten. Ich gab ihm nun die 
Verhaltungsrcgeln und — am zweiten Feiertag besuchte mich der Patient und 
erzählte, daß er sich fast noch so wohl befinde, wie bei der Abreise, aber doch 
fühle, daß er noch lange nicht gesund sei und so arbeiten könne, wie früher, 
daher wolle er noch bis Ostern zusehen, mich dann wieder besuchen und Rück 
sprache wegen weiteren Verhaltens nehmen. Ich erwiderte ihm, daß ich damit 
vollkommen einverstanden sei und erkundigte mich dann speciell nach seinem 
Befinden, welches sich im Laufe von 7 Wochen wie folgt geändert hatte: — 
die Appetitlosigkeit war in einen richtigen Hunger übergegangen, so daß Patient 
die 3 Mahlzeiten kaum erwarten konnte; Stuhlgang erfolgte täglich reichlich zur be 
stimmten Stunde und wieder braun gefärbt; Schlaf besser, fast die ganze 
Nacht hindurch, Gesichtsfarbe weniger miserabel, die weiße Augenhaut weniger 
gelb; Zunge zeigte nur noch geringen gelben Belag an ihrer Wurzel und an 
der Spitze einen Anflug von Nöthe; den Leib fand ich weicher und weniger 
aufgetrieben, so daß ich mit den zehn Fingern schon ein wenig unter die kurzen 
Rippen gelangen konnte; eine eigentliche Abmagerung konnte ich nicht ent 
decken, was auch des Patienten Aussage über sein Körpergewicht bestätigte, das 
nämlich seit seinem Abgänge unverändert geblieben sei, nachdem es in den 
4 Wochen kaum um 5 Kilo abgenommen. Patient gab mir ferner an, daß 
die Schmerzen in der Lebcrgegend wie die im Kreuze nur noch selten und ganz 
unbedeutend gegen früher aufgetreten, sein Kräftegcfühl dagegen zugenommen 
habe, so daß er schon wieder 1 Stunde Weges langsam gehen könne, während 
bei der Ankunft im November ihm es sehr sauer geworden sei, auch nur 
15 Minuten anhaltend zu gehen. Ich gratulirte ihm zu dieser Errungenschaft 
und daß er doch noch Weihnachten erlebt habe, wozu nach der Ansicht des 
Dr. Meinert wenig Aussicht gewesen sei! 
Darauf empfahl sich mir Patient mir den Worten: an Ostern komme ich 
wieder zum Rapport, wenn ich bis dahin noch nicht gestorben bin, was ich 
aber nicht hosten will, denn ich habe merkwürdiger Weise wieder neue Lebens 
lust und frischen Muth bekommen! Und an Ostern stellte sich Herr M. mir 
in der That wieder vor, aber in welchem Zustande? Derselbe klagte 
mir nämlich, daß es ihm in jeder Hinsicht wieder schlechter gehe und er nun 
wohl einsehe, wie thöricht er gehandelt, als er mir Ende November ausge- 
rissen sei, doch sei es damals nicht anders gegangen; er habe sich die Sache 
nun aber anders überlegt und zwar so: er sei jetzt 28 Jahre ununterbrochen 
in dem Geschäfte seines Prinzipales thätig gewesen, sei Wittwer, habe blos 
einen erwachsenen Sohn, stehe anfangs der 50ger Jahre, habe sich ein 
Capitälchen erspart und sehe darum nicht ein, warum er sich auf diesem
	        
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