Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

21 
Die Frau, welche ein Leben voll Arbeit gewöhnt ist, sollte während ihrer 
Schwangerschaft nicht die Thätigkeit an sich, sondern nur die übermäßige An 
strengung meiden, denn der Müssiggang stört den Stoffwechsel und beeinträch 
tigt die Frucht ebenso. Schwächliche und dürftige Schwangere sollten 
jeden übermäßigen Kraftaufwand meiden und nach hinreichender Nahrung 
trachten, damit sie selbst mitsammt ihrem Kinde keinen Schaden leiden. Wie 
oft giebt sich nicht aber auch die vornehme Dame allen Vergnügungen des Tanzes, 
allen Excessen der Tafel, der Sinnenreize, allen Verirrungen der Mode hin 
und beschädigt dadurch Gesundheit und Leben ihres werdenden Kindes? Woher 
stammen die zahlreichen, schwachen, alsbald dahinsterbenden Kinder auch in den 
höheren Ständen? Das Gift ihrer Eltern kreist in ihren Adern und manch 
cntartetes Geschlecht muß sein Elend in der Wiege seiner Ahnen suchen und 
wird den Grund seines frühen Todes in dem Leben seiner Groß- und Urgroß 
väter finden! Schon Moses hat seinen Juden zugerufen: die Missethat der 
Väter (und Mütter) wird heimgesucht auf Kinder und Kindeskinder bis in's 
dritte und vierte Glied! 
Ich will hier nicht weiter von denjenigen Schwängern sprechen, welche auf 
Grund ihrer socialen Verhältnisse ihren gesegneten Zustand für ein großes 
Unglück ansehen müssen und deshalb darnach trachten, dasselbe womöglich 
wieder zu beseitigen, wozu nichtswürdige alte Weiber, auch Hebammen 
und gewissenlose Aerzte gegen gute Bezahlung gerne die Hand bieten, indem 
bekanntlich durch einige Apotheker- und mechanische Mittel die Leibesfrucht 
factisch abgetrieben oder doch so geschwächt werden kann, daß sie nach der 
Geburt nicht lange lebensfähig ist! 
Wie bewirkt man nun aber ein richtiges Verhalten der Schwängern und 
eine richtige Kindespflege von der Geburt an unter Hoch und Niedrig? 
Wie man sich nicht gescheut hat, den nichts Gutes bewirkenden Impfzwang 
einzuführen, so sollte der Staat nun auch kein Bedenken tragen, einen factisch 
nur Gutes stiftenden Belehrungszwang für künftige Eheleute ein 
zuführen und kein Standesamt sollte künftig mehr eine Trauung vornehmen 
dürfen, wenn das Paar nicht ein Attest aufweisen kann, daß es den Ehe 
standsunterricht genossen hat, den der Staat durch bestimmte Gesund 
heitsräthe Hoch und Niedrig unentgeltlich darbieten sollte. Dann könnte der 
Staat auch mit Strafen bei verschuldeter Kindersterblichkeit einschreiten und 
Belohnungen für Mütter aussetzen, welche die schönsten und gesündesten Kinder 
haben. 
Ad 2. Das Nichtstillen von Seiten der Mütter. 
Nicht das Schicksal ist es, nicht das Klima, nicht das Wasser oder die Luft, die uns 
so viele Neugeborene wieder entreißen, sondern die Thatsache, daß den Kindern, 
die Säuglinge sein sollten, die einzig passende Muttermilch so häufig ent 
zogen wird. Für das neugeborene Kind ist, wie schon das Wort Säug 
ling sagt, das Saugen der Milch seiner Mutter die natür 
lichste, von der Natur selbst geschaffene, in jeder Hinsicht beste und einzig 
gesündeste Nahrung! Dieser Satz muß in seiner Allgemeinheit unver 
rückt feststehen! Seine Begründung findet er in der Majestät der ewig un 
wandelbaren Naturgesetze! Denn nicht ohne Grund ist auch das mensch 
liche Weib mit den zum Stillen der Kinder nöthigen Organen, den 
Brustdrüsen, versehen. In den ältesten Zeiten hielt auch der höchste 
Rang und Adel die Mütter nur sehr selten von ihrer natürlichen Pflicht ab, ja sie 
waren im Gegentheil stolz auf diese Leistung; erst mit Zunahme der Ueppig 
keit, Sinnlichkeit und der Voruriheile ward auch allmälich das Band der
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.