Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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begleiten die Blutgefäße und befähigen sie durch ihren Einfluß die zur Ernährung 
nöthigen Bestandtheile auszugeben, die nicht mehr brauchbaren in sich aufzufangen. 
Beseitigt man mittelst Durchschneidung der Nerven diesen Einfluß, so treten 
Ernährungsstörungen (Entzündung, Wassersucht, Brand) in dem Bezirk 
ein, in welchem der betreffende Nerv als Leiter des Stoffwechsels thätig war. 
Aber nicht nur im Großen wird der Wechsel zwischen den Bestandtheilen des 
Blutes und der Gewebe geregelt: sondern auch im Einzelnen übt der Organis 
mus die Oberleitung: im kleinsten durch Form und Mischung be 
grenzten und hierdurch zu einer gewissen Selbstständigkeit in Bezug auf Er 
nährung und Wachsthum befähigten Theile unseres Leibes, in der Zelle. Die 
Zelle ist ein rundliches Gebilde; eine dünne Haut umschließt wie eine kleine 
Blase ihren Inhalt, welcher von gallertartiger Weichheit ist und in seinem Innern 
einen rundlichen Kern enthält, in welchem sich wieder ein oder mehre Kern 
körperchen befinden; dieseZellen sind die Bausteine, aus denen unser 
Leib sich aufbaut. In jüngster Zeit ist nun erwiesen worden, daß feine 
Nervenfasern bis in die Zellen sich erstrecken und daß sie.daselbst in 
den Körperchen der Zellenkerne endigen; es liegt nun sehr nahe, in der Nerveu- 
verbindung mit den Kernkörperchen den Vermittlungsweg für die Einwirkung 
der Nerven auf Ernährungsvorgänge zu erblicken. Diese Annahme ist noch neu, 
ist noch nicht unumstößlich erwiesen, sie hat aber doch die größte Wahrscheinlichkeit 
für sich und ist beim heutigen Standpunkt unserer Erkenntniß die einzig berech 
tigte Erklärung der gemachten Wahrnehmungen und Beobachtungen. Dann ist 
also auch die Zelle trotz ihrer scheinbaren Selbstständigkeit nicht unabhängig 
vom Ganzen. Das Gesetz erreicht sie und die electrische Telegraphie der Nerven 
faser bringt sie in unmittelbare Verbindung mit dem geistigen Oberhaupte des 
Leibes , mit Hirn und Rückenmark. — Auch der Pf tanzen leib besteht in 
seiner ersten Entwicklung nur aus einander gleichartigen Zellen, welche ebenfalls 
durch Wachsthum (d. h. durch Aufnahme neuen Stoffes) und durch Ernährung 
(d. h. durch Stoffwechsel) je nach dem Orte, an welchem sie sich befinden, ver 
schiedene Form und Mischung und mit diesen verschiedene Verrichtung, gewinnen. 
Aber auf die Zellen des pflanzlichen Körpers wirken keine Nervenfäden 
ein, denn die Pflanze entbehrt derselben. Nerven finden sich nur im 
thierischen Körper! Deshalb sind Pflanzenzellen beschränkter in ihren 
Thätigkeiten, und selbstständiger im Ernährungsvorgange. Ein abgeschnittener 
Zweig wird durch Ernährung zur selbstständigen Pflanze; eine abgeschnittene Zehe 
kann nicht ernährt, kann nicht zum Thiere oder Menschen umgestaltet werden. 
Deshalb ist der Menschenleib in viel höherem Grade ein Organismus, dessen 
einzelne Theile und Theilchen unter sich zu einer Gemeinsamkeit verbunden sind 
— durch Nerden! So stehen Millionen von Zöllen mit dem Mittelpunkt des 
Nervensystems in Wechselwirkung; von den Zellen empfängt jener Mittel 
punkt (Hirn, Rückenmark re.) Kraft, von ihrer Aller Wohlsein hängt sein 
Bestehen ab, von seiner Oberleitung empfangen sie die Möglichkeit zum eigenen 
Wohlbefinden und zu freier Thätigkeit. Welches Musterbild der Staats - 
Haushaltung! Stellen wir uns s o den Leib des Menschen vor, ein 
belebtes K u n st w e r k höchster Vollendung. Ist nicht jeder Mensch 
ein Wunder ohne Gleichen? Je mehr die Erkenntniß von den Lebensvorgängen 
im Menschenleib zur Kenntniß des Volkes gelangt und Theil der allgemeinen 
Bildung wird, umsomehr wird Jeder sich verpflichtet erachten, menschen 
würdig sich zu verhalten (?) gegen seine Brüder und gegen sich, umsomehr wird 
Jeder sich fühlen als einen Theil des großen Weltorganismus. Denn dieselben 
Gesetze, welche die Bewegungen der G e st i r n e regeln, welche wir in der
	        
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