Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

genommen, während der Pockenepidemie von 1870/71 in Crimmitschau 
und Meerane sich dadurch nützlich zu machen, ja manchmal noch Hilfe zu 
schaffen, wo die approbirten Aerzte trotz ihrer lateinischen Recepte die Pocken 
kranken in der Fiebergluth verschmachten ließen, — einzig durch geregelte 
Lüftung der Krankenzimmer, Kühlung der fiebernden Kranken durch feuchte 
Ganzpackungen, Bäder oder bei beschränkten Verhältnissen nur Waschungen 
und einfachste kühle Diät und wurde dann als „praktischer N a t u r a r z t" 
auch st ä d t i s ch besteuert. 
Im Jahre 1878 zeigte Löwe in „Leipziger Blättern" seinen Wohnungs 
wechsel unter diesem Titel an lind wurde daraufhin ani 3. April vor Gericht 
geladen, wo ihm wegen Täuschung des Publikums durch unbefugte Anmaßung 
und Führung des Titels ,,Natur-Arzt" 10 Mark Strafe dictirt wurden, 
weil man durch seine Annoncen glauben könne: er sei eine approbirte 
Medizinalperson! 
Hierauf erhob unser Doctor-Schuster (analog: Doctor-Bäurin!) 
resolut Einspruch und gab beim k. Gerichtsamt folgende Erklärung ab: 
1) Ich habe bei meinem öffentlichen Auftreten in Versammlungen. Vortrügen, 
Zeitungsannoncen seit einer Reihe von Jahren der Behörde wie dem 
Publikum stets klar und bestimmt erklärt, welcher Gegner ich von jeder 
Medizinbehandlung bin, folglich kann ich unmöglich den Glauben zu er 
wecken beabsichtigt haben: ich sei eine approbirte ,, M e d i z i n a l p e r s o n!" 
2) Da ich die sich mir anvertrauenden Patienten gleich bei der ersten Unter 
redung aufgeklärt habe, wie meine Behandlungsart so ganz verschie 
den von derjenigen der approbirten Aerzte ist, deren Behandlung nach 
dem Behorchen, Beklopfen, Zungebesehcn, Pulsbefühlen hauptsächlich im 
Verschreiben von Apotheker giften besteht, während meine Behand 
lungsweise in Anordnung von diätetischen Verhaltungsregeln, Bädern, sog. Ein 
packungen rc. Wie kann also hierdurch, da die Leute wissen, mit wem sie es zu 
thun haben, der Glaube erwecktwerden : ich sei eine approbirte Medizinalperson ? 
3) Wohlwissend, daß nach § 147, al. 3 der Gewerbeordnung des deut 
schen Reiches bis mit 3OO Mark oder 6 Wochen Gefängnißhaft bestraft 
wird — ,,wer, ohne hierzu approbirt zu sein, sich als Arzt 
u. s. tv. bezeichnet oder sich einen ähnlichen Titel beilegt, durch 
den der Glaube erweckt wird, der Inhaber derselben sei eine geprüfte 
Medizinalperson" — habe ich dennoch, im Glauben, Recht zu handeln, 
mir den Titel „Naturarzt" beigelegt, zur Unterscheidung von Medi- 
zinärzteu, denen es nie einfallen wird, sich Naturarzt zu nennen, ja sich 
diesen Titel, wie z. B. Dr. M e y n e r in Chemnitz, entschieden verbitten! 
4) Da das k. Gerichtsamt aus beigelegtem Steuerzettel ersehen kann, wie mir 
alljährlich der Rath der Stadt Leipzig denselben unter der Bezeichnung 
„Natnrarzt" seit 1871 zuschickt, so ist mir das Erkenntniß des königl. 
Gerichtsamtes mit der Entscheidung des k. Finanzministeriums, das nach 
ebenfalls mit diesem Titel beehrt, geradezu räthselhaft! 
5) Da nach einer Entscheidung des königl. Obertribunals in Berlin der Titel 
„Naturarzt" nicht strafbar ist, wenn die Bekanntmachung jener Person 
nicht derart verfaßt ist, um im Publikum den Glauben zu erwecken, 
als sei dieselbe eine geprüfte Medizinalperson: so bitte ich ein k. Gerichts 
amt niich von der mir zuerkannten Strafe und Kosten zu entbinden und 
den Ankläger, Bezirksarzt Dr. Siegel, dahin zu verweisen, seine Anklage 
zurückzuziehen und mich auf Grund meiner Steuerzahlung fernerhin un 
behelligt zu lassen.
	        
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