Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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„Man muss den hohen, diese Krankheit begleitenden Fieberstand im Vereine mit 
dem durch die Halsgeschwulst unterhaltenen Lufthunger gesehen haben , um 
unwillkürlich auf die Kaltelufteinathmung als eine erlösende Kur zu verfallen. 
Bedenkt man ferner, dass die armen Kinder bei der gewaltigen, mit dem Schlingen 
verbundenen Schmerzhaftigkeit nicht einmal frisches Wasser oder Fruchteis zu 
schlucken sich entschliessen können, so erkennt man in der Nasenöffnung und der 
durch sie vorgenommenen Einathmung den einzigen Weg. um dem von innerer Gluth 
verzehrten Blute noch Kühlung zu schaffen. Gleichzeitig wird sich die 
desinficirende Wirkung der Kälte gegen die diphtherische Pilz 
bildung ebenso sicher, aber in nicht so quäle risch er W eise be 
thätigen, wie die durch Pinseln mit Carbolsäure angestrebte Desinfection, zu welchem 
Zwecke hier auch durch den Mund inhalirt werden mag. 
Also Abkühlung des mehre Grade über die Norm erwärmten Blutes, 
von Innen her, an dem Orte, wo die größte Menge der Blutmasse an 
gehäuft ist, resp. ihn fortwährend p a s s i r e n muß, ist die Parole des Appa 
rates und ist mir dieser Gedanke auch schon vor Jahren gekommen, weshalb 
ich ihn wenigstens dadurch auf dem Wasserwege zu erreichen versuchte, 
daß ich meine Fieberkranke die Halbbädcr auf doppelte Weise nehmen ließ, 
nämlich zuerst wie gewöhnlich langsitzend, den größeren Theil des Oberkörpers 
mit den oberen Extremitäten außerhalb des Wassers, wobei zeitweise mit dem 
Badewiisser sanft über den Kopf gegossen und der ganze Körper successive mit 
den Händen frottirt wird, nach 1—2 Minuten lasse ich alsdann den Patienten 
Vs Meter Vorsitzen und auf den Boden der Wanne sich rücklegen, die Füße 
auf den Rand derselben aufsetzen und mit den Armen sich an demselben halten, 
so daß jetzt der ganze Rumpf mitsammt dem Hinterkopf im Wasser 
liegt; es ist klar, daß auf diese Weise der Brustkorb mit seinem Inhalt inten 
siver abgekühlt wird; dabei lasse ich von einem Diener das Badewasser 
fortwährend mit der Hand in Bewegung setzen, so daß immer neue Wasser 
theile an die Körperoberfläche gelangen und eine zweite und dritte Person je 
einen Arm und ein Bein mit den Händen frottiren, wodurch das in der Lunge 
abgekühlte Blut mächtig nach den Extremitäten und der Hautperiphcrie ge 
zogen und dort noch m e h r abgekühlt wird: auf diese Weise gelingt cs, die 
Bluttemperatur nach 10—15 Minuten fast unter die normale Zahl zu 
bringen, was in allen fieberhaften Krankheiten von immensem Werthe ist, 
namentlich wenn der Patient nach einem solchen Halbbade sofort blos abge 
streift, nicht abgetrocknet, in eine paratgehaltene feuchte Ganzpackung mit 
doppelter Rumpfcompresse gebracht und nach mäßiger Wiedercrwärmung darin 
in 1—iVü Stunden noch einmal auf die beschriebene Weise gebadet wird; 
das stärkste Fieber läßt sich so auf 4—6 Stunden coupiren! 
Ob nun der „Kalteluftrespirator" das wirklich leistet, was ihm Dr. 
Niemeyer, ich will nicht sagen „andichtet", sondern „prophetisch zu 
schreibt", nämlich: daß er die Kaltewasserkur in den Hintergrund 
drängen und zu einer bei allen Fieberkrankheiten sowohl, als bei allen mit 
Erhitzung verbundenen Brustlciden wirksamen Heilkraft erster Ordnung sich 
gestalten werde, indem nur etwa 20 tiefe Athemzüge und Athemhaltungen 
am Apparate vollzogen, genügen, um die in der Achselhöhle gemessene 
Körpertemperatur alsbald NM einige Grade (?) sinken zu machen! — 
das wollen wir getrost abwarten, denn die Botschaft hör' ich wohl, aber mir 
fehlt noch der Glaube! — Das müssen wir erst noch vielfach erproben, ehe 
wir uns darauf verlassen können, denn N. schreibt ihm diese Wirkung doch 
nur aus theoretischer Combination zu, da er selbst in der kurzen Zeit doch 
wohl noch keine Gelegenheit gehabt hatte, dieselbe in hundert und aber hundert 
Fällen zu erproben. — Ich habe mir selbstverständlich auch 1 Exemplar
	        
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