Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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Hier füge ich passend bei, daß Alkohol bei Hundebissen anzuwenden 
auch schon längere Zeit bei unsern Medizinern üblich ist, was ich daher weiß, 
daß vor ein paar Jahren eines Morgens ein renommirter Maler in meine 
Wohnung stürmte, um mir mitzutheilen, daß er von seinem eigenen Wald- 
männl (Dachshund) gebissen worden sei, worauf er sich gleich zu einem 
in seiner Nähe wohnenden Allopathen begeben habe, welcher auch sofort die 
Wunde mit Chlorwasser oder dergleichen ausgewaschen und ihm dann den 
guten Rath gegeben: nunmehr 6 Wochen lang täglich sich einen 
tüchtigen Weinrausch (Alkohol!) anzusaufen, wenn er nicht die 
Wasserscheu bekommen wolle! Zn Beidem habe er nun aber keine 
Lust, weder zu einer sechswöchentlichen Berauschung, noch zu der fürchterlichen 
Wasserscheu und frage er mich deshalb, ob ich ihm nicht einen bessern Rath 
geben könne? Ich holte ihm darauf aus meiner Bibliothek die Brvchüre her 
bei, bet. „Sichere Heilung der Wasserscheu durch die Hydro 
therapie, Leipzig 1852" und gab sie ihm mit den Worten: „Lesen Sie 
mal dieses Heftchen ruhig durch und kommen Sie dann Nachmittags 4 Uhr 
in meine Badeanstalt, wo wir weiter mit einander sprechen wollen". Und 
als wir Nachmittags wieder zusammen kamen, gab er mir das Heftchen zurück 
mit den Worten: „Was ich darin gelesen habe, gefällt mir besser, ich bitte 
also mich in eine solche Behandlung 6 Wochen lang zu nehmen, und wenn 
ich nach Ablauf dieser Galgenfrist die Wasserscheu nicht bekommen habe, will 
ich Sie in mein Herz einschließen mein Lebenlang!" Und die sechs Wochen ver 
strichen, allerdings nicht, ohne daß ich dem ängstlichen Patienten, der vor der 
Wasserscheu eine Höllenangst hatte, öfters Muth einflößen, stundenlang, während 
er in der feuchten Packung lag, zu ihm hinsetzen und seine, durch das dumme 
Geschwätz Anderer immer wieder hervorgerufenen, Befürchtungen ihn: ausreden 
mußten er hielt aber doch aus, bekam die Wasserscheu auch ohne Alkohol 
nicht und trank dann am ersten Tage der siebenten Woche zur Belohnung 
für seine Standhaftigkeit und aus Freude, die verhängnißvolle Zeit glücklich 
überstanden zu haben, eine Flasche Ungarwein und — hängte mir zur Er 
innerung an diese Kur wenige Tage später ein großes von ihm gemaltes 
Oelbild über dem Sopha in meiner guten Stube auf! — 
Also Dr. Munde konnte, wenn er wollte (sein eigener Wahlspruch 
auf seinem Bilde!), aus den 9 Jahrgängen meines „N.-A." viel Material 
sowohl über das Wesen wie die erfolg reiche Behandlung derDiph- 
theriemitWasser finden, wußte dann, was er zu thun hatte bei der Erkran 
kung seiner Kinder und brauchte zu keinem Allopathen zu schicken, konnte ganz 
im Stillen in den Mund seiner Kinder schauen, sie „A" sagen lassen und 
sobald er die Schleimhaut des Rachens und der Mandeln dunkler gefärbt oder 
gar schon mit der Pilzauflagerung behaftet sah, ruhig zum Hocfft'schen Pinsel 
greifen, ihn in Chlor- oder Kalkwasser oder dergleichen Flüssigkeit tauchen und 
damit die Stellen öfters in Zwischenräumen so lange bei Tag und Nacht 
betupfen, bis dieselben entfernt waren und nebenher noch als Prießnitzianer 
je nach den pathologischen Erscheinnngen sonst entweder feuchtkalte Abreibungen 
oder feuchte Packungen mit temperirten Halbbädern geben, nicht wegen der 
Diphtherie, denn für diese genügt der Pinsel, sondern um das Nervensystem 
als Repräsentant der organischen Wider st andsk rast nicht erlahmen 
zu lassen! Das konnte er Alles im Stillen abmachen, das konnte ihm 
kein Mensch verbieten, auch nicht die österreichische Regierung, das 
konnte recht gut auch sein 75jähriger Kopf fertigbringen und das mußte sein 
besorgtes Vaterherz noch viel mehr befriedigen, als die so geschäftig thuend
	        
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