8
Glückes, so auch seiner Gesundheit eigner Schmied sei. So viel aber nun in
der Neuzeit von berühmten und vorurtheilsfreien Aerzten auch gethan wurde,
um Anatomie und Physiologie dem Verständniß eines Jeden mundrecht zu
machen, so gering erscheint im Großen und Ganzen doch immer noch das In
teresse sür diese Grundpfeiler der Gesundheitslehre (Hygieine). Viele halten
ja geradezu das Studium derselben für die ausschließliche Domäne des Arztes.
Und doch tritt die Nothwendigkeit, sich selbst mit seinem eigenen materiellen
Ich zu beschäftigen, gebieterisch an jeden Einzelnen, namentlich in unseren
Tagen heran, wo das rastlose Ringen und Jagen nach Geld und Gut, die
wachsende Genußsucht, die stetig steigende Verfeinerung der Lebensweise, die
immer größere Dimensionen annehmende Verbreitung des Fabrikwesens und
die fortwährend sich vermehrenden Calamitäten der socialen Verhältnisse unser
körperliches Wohlbefinden mit einem Heere von Schädlichkeiten bedrohen, gegen
welches nur mit den Waffen des Wissens und energischen Wollens siegreich
gekämpft werden kaun. Um so freudiger ist es deshalb auch zu begrüßen, wenn
sich Laien-Vereinc bilden, welche sich mit medizinischen Dingen befassen. Nur
sollten dieselben, meiner Meinung nach, vor Allem darnach trachten, ihren Mit
gliedern die nothwendigsten anatomischen, physiologischen und hygieinischen
Kenntnisse beizubringen und die Beschäftigung mit der Lehre vom Erkennen
und Heilen der Krankheiten auf das allergeringste Maaß zu beschränken. Denn
Krankheiten zu kuriren, ist sehr schwer und eigentlich nur die Lebensaufgabe
des Arztes, der zu diesem Zwecke ein langes, mühsames und kostspieliges Studium
durchzumachen hat ; Krankheiten zu verhüten, fällt dagegen vcrhältnißmäßig
leicht. Das kann jeder verständige Laie, wenn er nur den guten, ernsten Willen
besitzt und nicht müde wird-, sich das dazu erforderliche Wissen anzueignen.
Eine Anregung zu diesem Studium und einige Anleitung zur Verhütung von
Krankheiten durch naturgemäße Pffege des Körpers zu geben, ist der Zweck
dieses Aufsatzes. Ehe ich damit beginne, sei mir gestattet, ein offenes Bekennt
niß abzulegen. Wenn es gilt, Kranke gesund zu machen, bin ich mit Leib
und Seele Anhänger H a h n e m a n n 's und lebe der festen, durch Nichts zu
erschütternden Ueberzeugung, daß die Homöopathie unter allen Heilmethoden
am schnellsten, sanftesten und sichersten heilt. Handelt es sich aber darum,
Gesunde gesund zu erhalten, dann schwöre ich zur Fahne der sogenannten
Naturheilkunde, und ihre hygieinischen Lehren sind es, welche ich hiermit Jeder
mann an's Herz legen will.*)
Die persönliche Gesundheitspflege umfaßt ein weites Gebiet und erstreckt
sich nicht blos auf einzelne Körpertheile, sondern auch auf alle Lebensalter
(Neugeborenen-, Säuglings-, Kindes-, Jünglings-, Jungfrauen-, mittleres und
Greifen-Alter), auf die einzelnen Berufsarten und auf die verschiedenen Klimate;
sie hat für alles Dies specielle Regeln, ebenso wie für Schwangere, Wöchner
innen und Stillende. Hier kann ich mich nicht in solche Details verlieren;
auch will ich, um die Geduld desLesers nicht allzusehr iu Anspruch zu nehmen,
mich nicht in ausführlichen anatomischen und physiologischen Darstellungen er
gehen. Wer über alles Dieses Belehrung wünscht, der findet sie in reichem
Maaße in den hygieinischen Schriften von Bock, Hahn, N i e m e y e r,
Puhlmann, Sonderegger u. A. Mir wird es hier nur möglich, über
*) Anmerkung d e r R e d a e t i o n. Ich werde am Schlüsse dieses Aussatzes, der
für einen h o m ö o v a t h i s ch e n Laienverein zum Vortrag bestimmt war und in der
„Populären Zeitschrift für Homöopathie" zuerst veröffentlicht wurde, einige
Worte bcz. obigen Aasspruchs über die Leistung der Homöopathie mir erlauben, und bitte bis
dahin mit dem Urtheil zurückzuhalten, die hygieinischen Lehren aber wohl zu beherzigen! G- W.