Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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brachte ich ihr die nöthigen Handgriffe noch bei der Patientin selbst bei, nach 
dem sie dieselbe in's feuchte Tuch eingeschlagen hatte; die Manipulation des 
Halbbades beschrieb ich Beiden, Herrin und Dienerin, genau und befrug sie 
hintennach noch einige Mal, so daß ich sicher war, daß Alles richtig ausgeführt 
wurde. Auch bei der Gymnastik ließ ich mir von derselben helfen, wo es 
nöthig war und schulte sie zuletzt dazu ein, um später an meiner «Ltelle sel 
bige ihrer Herrin appliciren zu können; eine passende Ottomane fand ich zu 
fällig im Zimmer vor und bei der Abreise gab mir Patientin auf, ihr doch 
ein für sie passendes Klappgestell, von dem ich ihr mehrmals, als dem geeig 
netsten Apparat, gesprochen, in Dresden bald zu besorge» und nachzuschicken, 
welches sie dann auf Reisen mitnehmen wolle, da sie die wohlthätige Wirkung 
der ihr gezeigten Gymnastik »och längere Zeit ihrem Körper zu Gute kommen 
lassen möchte. 
Die Wirkung der beschriebenen Behandlung war eine günstige, indem nach 
ca. 8 Tagen der Nachtschweiß sich verloren, der Nachtschlaf sich wieder ein 
gestellt, der Schmerz im Unterleib an der Stelle, wo die Baucharterie sich in 
die beiden großen Schenkclartcrien theilt, jetzt weniger intensiv auftrat und 
zeitweilig ganz verschwunden war; der Stuhlgang erfolgte schon hie und da 
spontan und auf kühles Lavement sofort; die Körperwärme war eine gleich 
mäßigere, da nunmehr auch die Füße weniger kalt, manchmal hübsch warm 
sich anfühlten; die Muskelkraft hatte zugenommen, indem Patientin bereits 
einige Bewegungen allein ausführen konnte, bei denen ich ihr von Anfang an 
behilflich sein mußte, z. B. sitzende Rumpfrückbeugung und Wiedererhebung; 
später dieselbe Bewegung in langsitzender Stellung, welche schon zu den ein 
greifenderen und ziemlich motorisch Kraft erfordernden gehört; auch der Appetit 
hatte zugenommen, den ich ihr aber mit gemischter Speise zu befriedigen 
gestatten mußte, da in dieser kurzen Zeit es mir noch nicht gelungen war, ihr 
die Vortheile der ungemischten, der sog. vegetarianischen recht einleuch 
tend zu machen! Am 10. Juli, nach zwölftägigem Aufenthalte, verabschiedete 
ich mich wieder von meiner Patientin, nachdem ich die Ueberzeugung gewonnen, 
daß dieselbe auf dem Wege der eingeleiteten Behandlung sicher noch weitere 
Fortschritte in der Besserung ihres körperlichen Befindens machen und ich ihr 
durch noch längeren Aufenthalt doch keinen weiteren erheblichen Nutzen bringen 
würde, während die Nothwendigkeit meiner Rückkehr nach Dresden zu den 
zurückgelassenen Patienten um so lebhafter in den Vordergrund trat und mich 
zur Rückkehr ernstlich mahnte. 
Die Abfahrt von Leith erfolgte statt wie angesagt präcis 3 Uhr Nachmit 
tags erst Abends 6 Uhr, indem das Dampfschiff (wieder die „Prague") mit 
Aufnahme von Frachtgütern und eisernem Ballast nicht früher fertig geworden; 
ich hatte bei dieser Verspätung aber nur gewonnen, indem der Blick auf das 
hügelig gelegene Edinburgh bei goldener Abcndbeleuchtung ein superber 
war. Die Rückfahrt war angenehmer, indem ich die schaukelige Bewegung des 
Schiffes nun schon etwas gewöhnt war, auch den Horror vor der Seekrank 
heit total überwunden hatte, da ich ja den besten Talisman gegen sie kannte 
und beobachtete, nämlich halbes Fasten; dem Genuß der herrlichen Seeluft 
konnte ich mich daher mit wahrer Wollust hingeben, und ich war auch in der 
That von früh 1 I 2 4 Uhr, wo die Sonnenscheibe wie ein glühender Ballon 
prachtvoll aus dem Meere sich erhob, bis nach 10 Uhr Abends permanent 
auf dem Verdecke, wo dann der Anblick des dunkeln sternbesäten Himmels einen 
nicht mindern Genuß bot. Ich vertrieb mir die Zeit weniger mit Lectüre 
(wozu ich mir den „Wintern itz" mitgenommen), als mit Betrachtung des
	        
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