Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

131 
Einwürfe des gesunden Menschenverstandes und der wissenschaftlichen Kritik so 
freigebige Arzneimedicin auszuweisen, was sich an praktischer Bedeutung im 
Entferntesten mit der Einführung der hydrotherapeutischen Methode 
und den Bestrebungen der Gesundheitspflege messen dürfte ? 
Die Medicamente hat der Aberglaube erfunden und die Tradition 
weiter geführt und daher stammt auch noch heute unsere empirisch tappende 
und durch inspiratorische Ahnungen beeinflußte legitime H e i l k u n st. Die 
kritische Medicin dagegen, oder wie die Fanatiker der Apotheke sich ausdrücken, 
der Nihilismus, der Radicatismus stammt von Naturforschern, 
Anatomen, Philosophen, Schriftstellern und practischen Aerzten und Klinikern, 
von denen einer (Rohlf's Or. insck. Classiker, pag. 514) sich folgendermaßen 
ausdrückt: „Die Gifte sind in der Medicin, was das Fegfeuer und die 
ewigen Höllenstrafen in der Religion, was die Hexenverbrennungen, die 
Kreuzigung, die Räderungen. das Lebendigbegrabenwcrden, die Todesstrafe in 
der Jurisprudenz waren und sind. Für gewisse Culturzustände mag Alles 
dies entsprechend und passend gewesen sein. Es widerspricht aber durch 
aus der wahren Religion und einer humanen Justiz. Ebenso stehen die 
Gifte im Widerspruch mit der wissenschaftlichen, künstlerischen und 
ethischen Medicin." (Eine Fortsetzung folgt später.) 
Atme Csnsullatlonsrcift nach Schottland. 
(Vom 25. Juni bis 13. Juli.) 
Vom Herausgeber. 
(Schluß.). 
Die Meerfahrt — resp. ganze Wasserfahrt, von Hamburg aus beiläufig gesagt 
eine angenehme, weil wenig stürmische, wenn auch einige Mal mehre Stunden 
lang sehr bewegte, so daß der Schnabel des Schifies wohl an die 50 Schuh 
aus- und niederging, was einer Landratte erstmals ein unheimliches Gefühl 
verursacht, denn mit dem gemüthlichen Promeniren auf dem glatten saubern 
Verdeck ist's dann aus und vorbei — dauerte ca. 54 Stunden, bis Montag 
früh 6 Uhr, wo wir im Hafen von Edinburgh, genannt Leith, ankamen und 
nach geschehener liberaler Gepäckvisitation nach einem Wagen uns umsehen 
und dem ca. 2 Stunden entfernten Landsitz zufahren konnten, wo augenblicklich 
die Dresdner Dame sich aufhielt, der wir zunächst ihren Sohn überbrachten 
und dann noch 1 j 2 Stunde weiter nach einem recht saubern kleinen Landhotel 
fuhren, wo für mich und den Hofmeister 2 Zimmer belegt worden. Nachmit 
tags fuhr dann Frau N. in einem schottischen Gig vor, begrüßte mich und 
dankte mir freundlich, daß ich den weiten Weg nicht geschellt, ihr zu helfen 
und lud mich dann ein, sie gegen Abend zu besuchen, um ihre lange Leidens 
geschichte zu vernehmen und den Kurplan zu entwerfen. Gleich nach ihrer 
Entfernung promenirte ich dann mit dem Hofmeister nach Edinburgh, dem 
schottischen Athen, um von dort aus dem Papa die glückliche Ankunft seines 
Sohnes telegraphisch zu melden. Gegen Abend, zur angegebenen Stunde, fand 
ich mich auf dem einerseits vom Meere begrenzten Landsitze ein, wo meine 
Patientin sich bei einer befreundeten Familie aufhielt; dieselbe erzählte mir 
dann ihre mehrjährige Leidensgeschichte, welche meiner Ansicht nach ihre Ursache 
außer in der bornirten medicinischen Behandlung lediglich in der bei reichen 
Leuten üblichen unregelmäßigen, beschäftigungslosen und sorgenfreien Lebens 
weise hat, wodurch eine nachhaltige Störung in Stofieinnahme, Umsatz, resp. 
Verbrauch und Wiederausgabe ab Seiten des Organismus entsteht, welche dann
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.