Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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Die phBologische Medicin und ihr Archiv. 
Aus den Papieren eines alten Ketzers. 
(Schluß.) 
Versieht man aber unter einer positiven That die Auffindung neuer Wahr 
heiten, Die Entdeckung neuer Mittel lind Wege, die Gesundheit sowohl in der 
ganzen Gesellschaft, als bei den einzelnen Menschen sicherer zu stellen, endlich 
die Anwendung natürlicher (diätetischer und hygieinischer) Hilfsmittel (vergl. 
Einleitung zu Wunderlich's Pathol. und Therapie, pag. 79), um die Krank 
heiten nicht gewaltsam zu conpiren, sondern vorsichtig zu leiten, ohne dem Or 
ganismus fremde Substanzen einzuverleiben, wodurch jedenfalls sämmtliche 
Arzneikrankheiten unmöglich gemacht würden, so hat die kritische Medicin grö 
ßere Verdien sie um die Menschheit, als die ganze rnateria medica, was 
freilich nicht viel heißen will. Außerdem aber fällt der kritischen Medicin, oder 
was bald auf dasselbe hinausläuft, der arzn ei losen Therapie das nicht 
zu unterschätzende Verdienst zu, die h y d r o t h e r a p e u t i s ch e B e h a n d l u n g 
der meisten und hoffentlich bald aller akuten Krankheiten 
veranlaßt zu haben. Die Durchführung dieser Behandlungsart aber wird der 
kranken und gesunden Menschheit mehr nützen, als es die 
berühmtesten Hcilsysteme der berühmtesten Receptkünstler zu thun im Stande 
waren, was freilich ebenfalls nicht viel heißen will. 
Aber die eonsequentc Durchführung jener Heilmethode wird nicht nur vie 
bessere therapeutische Resultate liefern und hat sic schon in großem und weitem 
Umfange geliefert, sondern sie wird zugleich für den Kranken selbst eine Schule 
der Mäßigung, Reinlichkeit, Abhärtung, S e l b st ü b e r w i n - 
düng und Selbsterkenntniß, welche unter Umständen in Zukunft auch 
sich selbst zu helfen weiß. 
Eine fernere positive That aber, welche wesentlich der kritischen Medicin zu 
verdanken ist, zeigt sich in den neuesten Bestrebungen, die Gesundheits 
pfleg e zu einer praktischen Wr s s en s cha ft zu erheben. Aber erst, nachdem 
man eingesehen hatte, daß die Jahrhunderte langen Versuche, gegen die großen 
Volks- und Gesellschaftskrankheiten mit der Apotheke erfolgreich 51t operiren, 
so klägliche Resultate geliefert haben, fing man an, die Ursachen derselben 
genauer zu stndiren und zur Vernichtung jener Ursachen zu schreiten. Oder 
glaubt man etwa, wenn die Erfahrung alles das bestätigt hätte, was die 
Fanatiker ber Materia medica Poit ihren Mitteln gefabelt haben, man hätte 
für nöthig gefunden, die schwere Arbeit der Erkenntniß und Beseitigung jener 
Ursachen zu beginnen? — Zwar haben alle größeren Volkskrankheiten ihren 
Ursprung fast immer in den untersten Schichten des Volks, bei den Armen 
und Elenden, aber von dort aus machen dieselben auch ihre Einfälle in die 
Stätten der Wohlhabenden, Reichen, bis in die höck)stcn Spitzen der Gesell 
schaft, wie ja Typhus, Cholera, Scharlach, Diphtcritis ihre 
Opfer sogar auf den Thronen geholt haben. Es ist dies wohl für Diejenigen, 
die es trifft, ein Unglück; aber für die Menschheit im Allgemeinen ein Glück, 
denn eben die Erfahrung, daß auch die höchsten Schichten der Gesellschaft nicht 
sicher sind vor den vergifteten Pfeilen der großen Volkskrankheiten, hat eine 
Idee ins Leben gerufen, welche die wohlthätigsten Folgen haben und vielleicht 
am ehesten dazu beitragen wird, die socialen Gegensätze auf friedlichem Wege 
auszugleichen, nämlich die Idee der Solidarität der inenschlichen 
Gesellschaft in Gesundheitsfragen. 
Was hat nun die stolze mit dem Vorwurf des Nihilismus gegen die
	        
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