Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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Wie lange kann ein Mensch ohne Nahrung erißircn? 
oder: 
Dr. Tamicr's neuestes vierzigtägiges Fasten-Experiment, 
nebst Erinnerungen an Marie Furtner in Bayern, 
welche über 11 Jahre nur von Wasser lebte. 
Vom Kerausgever. 
Ein Dr. Sann er aus Turnbridge - Wells in England gebürtig, 49 Jahr 
alt, hat gewettet: „daß er sich 40 Tage lang jedweder Speise 
enthalten könne"; er begann mit dieser F a st e n p r o c e d u r am 28. Juni 
d. Js. in der Clarendonhalle zu New-Aork und hat sie am 6. August 
wirklich noch lebendig beendigt! Derselbe wurde die ganze Zeit 
hindurch von einem Comito von Aerzten scharf überwacht, so daß eine 
Täuschung resp. amerikanischer Humbug hier nicht wohl angenommen werden 
kann! Ueber den Pr eis der Wette haben die Tagesblatter Nichts, berichtet, wohl 
aber mitgetheilt, daß Dr. Tauner vorher veröffentlichte: „es sei ihm nur 
darum zu thun, den Beweis zu liefern, daß der menschliche 
Organismus durch Wasser allein e i n e Z e i t lang zu erhalten 
sei"! Derselbe war stets ein mäßiger Esser, der eine einfache Kost von 
Brod und Milch vorzog und nur zweimal täglich Nahrung ein 
nahm; er hatte die vollständigste Zuversicht in den Erfolg seines Experimentes 
und fürchtete keine üblen Folgen, da er sich schon seit längerer Zeit an eine 
schwache Diät gewöhnt hatte! Zn einigen Besuchern soll er sich über die 
menschliche Ernährungsait wie folgt geäußert haben: 
„Ich bin überzeugt, dass das Zuviel essen heutzutage viel mehr Leidenschaft 
ist, als das zu wenig. Drei Mahlzeiten täglich ist ein Nonsens, wir essen Alle z u 
viel. Wir zwingen unsern Magen, Tag und Nacht die Massen zu verarbeiten, die 
wir ihm aufladen, und schwächen dadurch unsere "moralische wie inteilectuelle 
Kraft. Das stete Reizen des Appetits hat aus einem Geschlechte von Riesen Zwerge 
gemacht. Wer eine sitzende Lebensart führt, sollte sich von animalischer 
Kost ganz und gar enthalten! Er kann sie nicht verdauen und sein 
Geist wird stumpf. Schau einer einmal unsere Reichen an; sie kni een vor den 
Fleischtöpfen und martern den Organismus über Vermögen. Der Mensch lebt nur, 
um tüchtig zu wirken, und vermöchte ich es , das Volk zu meiner Ueberzeugung zu 
führen, so würde ich mehr geleistet haben als Jener, der ein Hospital erbaut. 
Möchte doch Jeder im Essen und Trinken dem Vernunftgesetz gehorchen; er würde 
staunen über die Erfolge und über die Stärke seines Willens verjährten Gewohnheiten 
gegenüber. Die Aerzte hätten dann wahrlich nichts zu thun/ 
Aus dem bunten Durcheinander der verschiedenen Zeitungsberichte habe ich 
Nachstehendes als bemerkenswerth zusammengestellt und füge am Schluffe bei, 
was ich mit Recht vermisse: 
Nachdem Dr. Tauner während der e r st e u 14 T a g e sich auch ganz 
des Wassers enthalten hatte, trank er von da angroßeQuantitäteu, 
sein Körpergewicht war am 23. Tag von 157 — auf 134 gefallen; er schlief 
bis dahin noch gut und unterhielt sich mit Besuchern ungezwungen, unternahm 
auch noch einen Ritt im Park, von Zeit zu Zeit trinkt er Wasser. Am 25. 
Tag klagte er über Schwindel und Schmerzen im Magen; sein Pulsschlag war 
72, Temperatur 98 f., Respiration 16; sein Gewicht stellt sich heute auf 122 
Pfund. Er hat während der letzten 24 Stunden um nur ein halbes Pfund 
abgenommen. Seine Gesichtszüge sind erschlafft und verzogen; die Linien sind 
schwach gezogen und die Augen haben einen unnatürlichen Ausdruck. Da seine 
überflüssige Fettigkeit gänzlich verschwunden ist, so sind es die fleischi 
gen Theile, welche die Einbuße erlitten haben. Der Umstand, daß er 36^ 
Pfund unter seinem Normalgewicht wog, als er das Fasten antrat?
	        
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