Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

Vorwort }\m 19. Jahrgang. 
Wieder stehen wir vor einem Zeitabschnitt und sehen uns veranlaßt, einen Blick rück 
wärts zu werfen, ehe wir vorwärts schauen und unsere Wünsche aussprechen. Was hat 
uns das abgelaufene Jahr in unseren Bestrebungen Gutes gebracht? Bezüglich unserer 
Agitation, vorerst nur um Aufhebung des Impfzwanges, sind wir leider um 
keinen Schritt vorwärts gekommen, denn noch immer ist Dr. Thilenius der Referent 
der Jmpfangelegenheit im deutschen Reichstag, welcher die Stimmen der Gegner dieser 
sich überlebt habenden angeblichen Sanitätsmaßregel (?) gar nicht aufkommen 
läßt, denn es ist ihm doch wegen der Blamage; apres nous le deluge — ist auch sein Wahl 
spruch, das heißt hier auf gutdeutsch: so lange ich hier im Reichstag stehe, bleib t's beim 
Impfen, wenn auch das Dogma von der Schutzkraft der Baecination — nach Dr. Her 
mann, Prof. Ha m e r n ick und vielen anderen Aerzten der reinste Medizin ische Hum 
bug ist; aber damit können wir dein Publikum noch imponiren. wenn auch der Glaube an 
die Heilkraft der Apothekergifte mehr und mehr zu schwinden beginnt; und um nun 
den Glauben an das Dogma der Impfung nicht ebenfalls schwinden zu sehen, deßwegen 
haben wir den Zwang eingeführt, damit wir nicht eines schönenTages erleben müssen, daß, 
Weil nicht mehr geimpft wurde, auch keine Pockenepidemie mehr auftritt. 
Dann wären wir ja heillos blamirt!! Ferner: noch haben wir nicht gelesen oder gehört, 
daß auf einer unserer deutschen Universitäten ein „Lehrstuhl für das Naturheilv er 
sah reu" errichtet worden wäre, denn wenn auch nachBelieben desDireetors in den Kli 
niken ab und zu mal das Wasser als „Heilmittel" (?) in Berbindungnnit dem Arznei- 
kolben angewandt wird, so will das so gut wie nichts heißen, denn auf diese Weise be 
kommt der Student und zukünftige Arzt keinen Begriff davon, was man mit Wasser 
(frische Luft und richtige Diätnicht zu vergessen!) allein zu leisten vermag! (Mußte 
es doch Einer von uns im Herbste 1878 erleben, daß ihm inBohmen zwei approbirte 
Aerzte am Bette eines amScharlach erkrankten Kindes, das sie für verloren hielten, es 
nicht glauben wollten, daß dasselbe gerade ohne Arznei gerettet werden könne. G. W.) 
Die diätetische Lehre: daß der Mensch kein Raubthier, von Mutter Natur 
nicht auf Fleischnahrung angewiesen ist, der Vegetarianismus gewinnt mehr 
und mehr Boden trotz dem Hohnlachen der Aerzte über diese moderne Narrheit; ja 
sogar in Berlin unter den Studenten rumort's, wurde Vater Pythagorasrediviv, 
wurde ein akademischer vegetarianischer (Pflanzenkostesser-) Verein gegründet! 
Er gedeihe! — Und bez. des Leichenverbreuuungsofe'ns in Gotha hat's noch 
nicht gekracht, derselbe ist vielmehr von Zeit zu Zeit in Thätigkeit, wurde binnen 
Jahresfrist von Nah und Fern schon über ein Dutzendmal benutzt ! Immer langsam 
voran, aber voran! Gegen die überschwängliche Vivisektion auf den Universitäten 
(Zerschneiden lebendiger Thiere) hat die Agitation noch nicht nachgelassen und die 
Professoren ganz toll gemacht; sie wehren sich auch aus Leibeskräften gegen diese Nase 
weisheit des Publikums, welches nicht begreifen will, daß die Viviseetion eine 
„wissenschaftliche Sache" ist, von der es absolut Nichts versteht! 
Wir werden diese. 4 Punkte auch ferner im Auge behalten und unsere Leser darüber auf 
dem Laufenden zu erhalten suchen, wir werden fortfahren an Krankheitsbildcrn aus dem 
Leben die Erfolge der phhsiatrischen Behandlung zu demonstriren und auf Aufragen wie 
bisher, wo es gewünscht wird, sub „Briefwechsel" Red' und Antwort stehen! 
Die neue Einrichtung mit der „Literar. Beilage", aller zwei Monate einen Be 
richt mit Besprechung passender Schriften zu bringen, hat den Beifall unserer Leser 
gefunden und wollen wir daher beibehalten. 
Schließlich verfehlen wir nicht, für die uns bis jetzt eingelaufenen zahlreichen Glückwünsche 
und freundlichen Ermunterungen in bisheriger Weise, aufrichtig und wahr, und mit Humor 
den „N.-A." auch ferner zu redigiren, unsern wärmsten Dank zu sagen und empfehlen uns 
hiermit achtungsvoll re. 
Für d i e R e d a e t i o n: 
Gustav Wolbold in Dresden — Theodor Hahn auf der obern Waid.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.