Volltext: Der Naturarzt 1871 (1871)

194 
oder fehlt ganz, wo sie in Folge großer Schwankungen und tieferen 
Sinkens des Grundwapers a m heftigsten hätte sein müssen! 
Auch erkranken ja, obschon das Grundwasser alle Brunnen speist, 
immer nur Einzelne, wie denn überhaupt schon der Umstand, daß man 
dem Trinkwaffer n i e einen Einfluß auf's Erkranken an Cholera nach 
weisen konnte, gegen jene angebliche Bedeutung auch des Grundwassers 
sprechen dürfte!! 
Wenn Pettenkofer ferner sagt: daß das Choleragift oder Con- 
tagium erst durch eine Art Gährung i m B od en u nd seinem 
G r u n d w a s s e r reife, erst den wechselnden Stand dieses letztem 
am selbigen Orte dessen „Disposition" bald vermehre, bald ver 
mindere, bald ganz aufhebe, so drängt sich Einem unwillkürlich der 
Gedanke aus: Was weiß denn der gute Mann von dem 
Allem? Wie kann Einer Etwas über Reisen und Wirken eines Giftes 
denken und sagen, ehe er dasselbe einigermaßen kennt, oder auch nur 
seine Existenz überhaupt nachgewiesen hat, über welches er vielmehr nur 
höchst riskirte Ansichten haben kann, abgeleitet aus Füllen, die er ein 
mal von jenem X abzuleiten beliebt. 
, Wenn Pettenkofer selbst z u g i e b t: sein Schluß, daß 
einzig und allein cholerische Ausleerungen, diese 
V e r m i t t l e r zwischen Mensch und Boden, Cholera 
verbreiten — sei sein gewagtester, weil ein Einfluß des Bodens 
aus Entwickelung des Contagiums nicht direkt bewiesen sei und daß 
große Dunkelbeit herrsche über die Vorgänge im Boden wie über die 
aus dem Boden in die Luft übergebenden Keime! — so ist in der 
That die Z u v e r s i ch t, um nicht zu sagen : Unverschämtheit, 
merkwürdig womit dieser allzuweise Mann trotz diesen! seinem 
Nichtwissen aller Hauptpunkte eine Theorie auf lauter 
unbewiesene und u n v e r st a n d e n e Le gründen und sogar 
damit, wie mit festgestellten Thatsachen, umspringen konnte!! 
Wenn aBo dieser Choleraprophet über das C h o l e r a g i f t 
gar Nichts weiß, wie merkwürdig ist dann nicht die Rolle, welche er 
das G r u n d w a s s e r bei dem mysteriösen Prozesse der Vorgänge i nr 
Boden spielen läßt, dieses Wasser, welches von den reinen Wassern 
des Himmels stammt, und unser bestes unschuldigstes Getränke liefert. 
Müßte es nicht vielmehr die ohnedies auch nach Pettenkofer 
unschuldigen Ausleerungen Kranker, kämen sie je in die 
Tiefe, schon durch deren kolossale Verdünnung noch unschul 
diger machen? Und warum nimnlt dann die Seuche gerade zu der 
Zeit ab, wenn Grund und Brunnenwasser anfangen, 
etwas reicher an jenen Auswurfsstoffen zu werden? Nach Pettenkofer 
soll besonders ein rasches Sinken des Gr und wassers ge 
fährlich sein, nachdem es zuvor gestiegen war, vielleicht weil so die 
Dauer der Zersetzung organischer Stoffe imBodm abgekürzt wird? Das 
Grundwasser steigt aber doch nur in Folge reichlicher Regengüsse 
oder Schneeschmelzen, deren Wasser die organischen Stoffe in den obern 
Bodenschichten nur um so mehr auslaugen, nach unten führen 
und den Boden darüber beim Wiedersinken des Grundwassers nur um 
so reiner zurücklassen müßten! ^ e tiefer also das Wasser unter 
die Bodenoberfläche sinkt, um so weniger organische Stoffe wird es selber 
enthalten können. Sollte sich da nicht fast noch eher das Gegen- 
theil von dein erwarten lassen, was Pettenkofer sich denkt?
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.