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Apathie, Erlahmung in den Gefühlsnerven, daß sie ihren
wahren Zustand nicht fühlen. Gleichzeitig haben sie auch
meistens einen krankhaften Hang, eine wahre Sucht nach
Ruhe und Ungestörtsein. Wollte man dieser nachgehen und
ihnen gewähren, würde man ganz fälschlich handeln als Arzt.
Gerade hier ist es nothwendig (angezeigt), sie aus ihrer Apathie
herauszureißen, fleißig, tüchtig aufzurütteln, was gewiß durch
nichts zweckmäßiger erreicht werden kann, als durch active
(erregende) Kaltwasserapplicationen, wozu der Form nach kür
zere nasse Einpackungen, Abreibungen, Halbbäder, Brausen und
Begießungen und Regenbäder, Vollbäder (resp. Untertauchun
gen) entsprechen. Indessen weit aus in den meisten Typhus
fällen genügen Halbbäder und nasse Einpackungen, als Ganz-
applicationssormen, Leibumschläge, Kopfumschläge und Kly
stiere als Partial-Applicationsformen. Der Typhus unter
scheidet sich bekanntlich nach zwei Hauptformen, nämlich
nach der erethischen (entzündlichen) Form und
nach der torpiden (trägen) Form.
Erstere kennzeichnet sich wesentlich durch große und an-
dauerde äußere Hitze, Rothsein, besonders im Gesicht, große
Sensibilität bezüglich Gehörs, Gesichts, Gefühls und Geruchs
allgemeine Aufgeregtheit und Mangel an Schlaf. — Letztere
durch Trägheit, Gefühllosigkeit in jeder Beziehung, verbunden
mit mehr oder weniger Schlummersucht, wenig äußere Fieber
hitze. Beide Formen können ganz schmerzfrei oder auch mit
den verschiedenartigsten Schmerzen begleitet sein, was Neben
sache ist. Das Wesen ist, den Fiebergrad (Charakter) zu er
kennen, um die Ueberzeugung zu gewinnen, ob man beruhigend
oder erregend behandeln soll. In beiden Fällen nehme ich
einen etwas thätigeren, eingreifenderen Antheil oder Stand
punkt ein als Herr vr. Gleich, so daß ich längere Delirien
(über einige Minuten dauernde) nicht aufkommen lasse; dieses
ist mir immer eine Anzeige, daß gebadet werden muß, oder
daß die einzelnen Applicationsformen intensiver länger dauernd
sein müssen.
Im torpiden Typhus ordinire ich gewöhnlich, daß min
destens nach jeder achten, höchstens nach jeder vierten Stunde
(ob Tag oder Nacht findet hier keine Rücksicht) eine Ganzap -
Plication vollzogen wird, die in den meisten Fällen ein Halb
bad ist, wobei 2 bis 3 Personen tüchtig frottiren. Ob dann
die Wiederholung jede 5te, 6te, 7te Stunde stattfinden soll,
das wird bei der täglichen Untersuchung (Besuch beim Patien
ten) festgestellt, und hängt von der Hinfälligkeit des Patienten
ab. 'Je auffälliger dieser Zustand ist, desto früher lasse ich
die Ganzapplication wiederholen, und scheinen mir die Halb
badformen im Zenith der Krankheit zu wenig aufregend, so
werden Begießungen, Regenbäder, Brausen beigefügt oder sub-
stituirt. Ebenso wird mit dem Zunehmen der Hinfälligkeit
oder Ergriffenheit des Kranken die Temperatur des Wassers
immer kälter genommen, was bis zu 6 und 7 Grad R. ge
schehen kann. So hatte ich unter Anderen eine Patientin,
bei der die Eisschollen im Halbbad um sie herumschwammen,
so daß es die Frottirer fast nicht aushalten konnten, während
sie selbst wenig davon spürte und die Haut eine fast unmerk
bare Röthe davon bekam, was kein gutes Zeichen war, da es
auf eine sehr schwache Reaction deutete; dennoch kam sie ganz
gut davon. Ist der Zenith bes Krankheit vorüber, so wird
mit allem allmälig aufwärts, d. h milder und seltener ver
fahren, so daß man selbst wieder auf Halbbäder von 18 bis
20 Grad zurückkommen kann, welche auf die erregten Nerven
und Gefäße wieder sehr beruhigend und wohlthätig wirken.
Erlaubt es die Jahreszeit, so werden in der Reconvalescenz
Sonnenbäder vor jenen abgeschreckten Halbbädern verordnet,
welche herrlich fördernd und stärkend wirken.
Ob zwischen den erregenden Halbbädern ^Einpackungen
Platz greifen, hängt ganz von der Wärmeentwicklung des Pa
tienten ab, doch ist im torpiden Typhus meistens 1 ganze
oder 1 bis 2 Rumpfeinpackungen, zwischen je 2 Ganzbenäs-
sungen des Körpers, genügend, manchmal sind gar nur Bauch
umschläge (d. h. um und um) wegen geringer Hitzeentwickelung
hinreichend.
Bei solchem eingreifenderen, fleißigeren Verfahren bleiben
die Patienten beständig beim Bewußtsein; schwarze Lippen,
Zähne, Nasenlöcher, schwarze Zunge, dann das sogenannte
Deckenzupfen kommen nie vor; braune, trockene Zunge nur auf
Stunden rc.; die Kranken behalten wie im Allgemeinen die
Kräfte, so im Speciellen die Verdauungskraft mehr bei; sie be
gehren fast täglich regelmäßig etwas zu essen, und wenn der
Höhepunkt der Krankheit vorüber ist, sogleich bedeutend zü
essen, was sie dann auch vertragen — ein wichtiger Um
stand, die Reconvalescenz sehr abzukürzen.
Im erethischen Typhus wende ich in der Regel mehr
nasse Einhüllungen, nämlich je 2 bis 3 zwischen 2 Ganzbe-
näffungen an, gebe die Halbbäder ziemlich wärmer, 14 bis
18 Grad, sowie auch länger dauernd. Die Sitzbäder fand
ich selten erwünscht wirkend. Fast alle Patienten zogen stets
die Halbbäder vor.
Wenn es nur irgend möglich ist, lasse ich die Patienten
nach jedem Bade einige Male im Zimmer auf und abgehen,
ehe sie in's Bett zurückkehren. Vom Typhus zu behaupten, daß
man ihn immer in 8 Tagen in hydropathischer Behandlung
überwinde, ist ein Unsinn ; es giebt viele Fälle, die bei der
umsichtigsten, emsigsten Behandlung 3, 4 und noch mehr Wo
chen bedürfen, da heißt's halt nur den Muth nicht verlieren,
ausharren und aushalten, der gewünschte Sieg wird
in den seltensten Fällen ausbleiben! Der Typhus selbst ist
ja, nichts anderes, als Fieberreaction gegen eine schon seit mehr
oder weniger langer Zeit dauernde Anstauung von Schlacken
im Blute oder in einem Organe, welche die gute Mutter Na
tur auszustoßen bestrebt ist, um das Blut oder die Maschi
nerie wieder in's Gleichgewicht zu bringen. Dies kostet je
nach der zu überwältigenden Masse einen mehr oder
weniger langen Kampf. Man unterstütze daher die gute Mut
ter Natur in wahrhaft stärkender Weise durch Kühlung, La
bung mit Wasser und Luft, je nach Bedürfniß in beruhigen
der oder erregender Form, und sie wird den Organismus
verjüngt aus dem Reinigungsprocesse erstehen lassen!
Die Bock'sche Kur
mit Warmwasser, Flauelljäckchen, wollenen Strümpfen und
dergleichen Leibbinden rc.
Mitgetheilt von BaptistaVanoni, Naturarzt in München.
Bekanntlich hat die Schroth'sche Heilmethode sehr viele
Kranke geheilt, bei denen man durch das Prießnitz'scheWasser
heilverfahren keinen Heilerfolg zu erzielen vermochte und zwar
aus dem einfachen physiologischen Grunde, weil Schroth
das Princip der Wärmeerzeugung verfolgte, während Prieß-