Volltext: Geschichte der Stadt und des Gerichtsbezirkes Odrau

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der Parzelle 32 seien bis 1856 und 1859 uralte Häuser gestanden, darunter das 
städtische Spital, welche Häuser die Landgräfin zur Errichtung der Mädchenschule er¬ 
worben habe. Die in dem Kaufe von 1711 erwähnte Torsäule sei nicht identisch mit 
dem jetzigen Tor, sondern sie sei viel weiter hinaus auf der Bodenstädter Straße 
gestanden. Und wenn das alles nicht wahr wäre, so sei es eine ganz richtige juri¬ 
dische Ansicht, daß, wenn durch 30 oder 40 Jahre auf einer Beerdigungsstätte nur 
oder vorwiegend nur katholische Beerdigungen stattfinden, in jedem Falle das Eigen¬ 
tum der katholischen Kirche ersessen werde, wenn der frühere von der Kirche ver¬ 
schiedene Eigentümer seine Eigentumsrechte nicht ausdrücklich durch Urkunden und 
wiederholte Anerkennung des Besitzers geschützt habe. Die Gemeinde brachte 1886 die 
Schlußschrift, die Finanzprokuratur die Gegenschlußschrist ein, worauf das k. k. Bezirks¬ 
gericht Odrau nach der 1887 stattgefundenen Zeugeneinvernahme am 1. März 1888 
folgendes Urteil fällte, welches !vir ohne jede Bemerkung im Wortlaute mitteilen und 
nur auf die über die Entwicklung des Friedhofes auf den Seiten 151 und 152, 269 
bis 272 und 398 bis 400 gemachten Bemerkungen hinweisen: 
„Die Stadtgemeinde Odrau wird mit ihrer Klage abgewiesen und hat der 
Pfarrkirche die auf 738 fl. 90 kr. ö. W. bemessenen Kosten binnen 14 Tagen zu 
zahlen aus folgenden Gründen: Die Stadtgemeinde Odrau hat die Eigenthumsklage 
eingebracht und behauptet, daß die strittige Grundfläche, wenn die stattgefundene 
Theilung der ursprünglichen Parcelle 31 nicht stattgefunden hätte, als Eigenthum 
der Stadtgemeinde anerkannt hätte werden müssen, während so die jetzige Parcelle 31 
nach Abtrennung von 30/i und 30/r der Kirche als Eigenthum zugeschrieben worden 
sei. Die Stadtgemeinde hatte gemäß § 369 den Beweis zu erbringen, daß die ge¬ 
klagte Pfarrkirche den strittigen Grund in ihrer Macht habe, worüber die Erörterung 
entfalle, da das Geständnis der Pfarrkirche vorliege, ferner daß diese Grundfläche 
Eigenthum der Stadtgemeinde sei. Hierüber versuchte die Stadt den Beweis einer¬ 
seits durch Darthuung des mittelbaren Erwerbes der strittigen Grundfläche von dem 
Vorbesitzer, anderseits durch Darthuung des unmittelbaren Erwerbes durch Ersitzung 
zu erbringen. Die Stadt gibt zu, daß der Beweis des mittelbaren Erwerbes heute 
nur noch rücksichtlich jenes Theiles der Friedhosparcelle 31 erbracht werden kann, 
der zwischen dem jetzigen protestantischen Friedhof 30/> und einer parallel zu der Grenz¬ 
linie zwischen Parcelle 30 und 31 laufenden, beiläufig beim Friedhofkreuz gehenden 
Linie liegt. Betreffend jenen Theil des Friedhofes vom Kreuz bis an die Bauparcelle 31 
(Begräbniskirche) und die Grundparcelle 32 wird lediglich die Ersitzung durch mehr 
als 40jährigen Besitz zu erweisen unternommen. Selbst hinsichtlich des ersten Fried¬ 
hoftheiles ist die Stadt nicht in der Lage, durch Urkunden oder durch unmittelbare 
Vertragszeugen den mittelbaren Erwerb unumstößlich festzustellen, es wird nur lediglich 
durch eine Reihe von Thatsachen darzustellen versucht, daß dieser Grundtheil jeden¬ 
falls von der Stadt gekauft und von dieser zu Friedhofszwecken verwendet wurde. 
Sie sagt, daß die Parcelle 30 und 31 noch im Jahre 1790 in einer Hand vereinigt 
waren, sagt, daß bis 1819 nur der Theil der Friedhofsparcelle 31 als Begräbnis¬ 
stätte verwendet mürbe, der zwischen der Begräbniskirche und beiläufig beim Fried¬ 
hofskreuze liege, und daß dieser Theil 1819 und 1830 von der Stadt erweitert wurde. 
Es ergibt sich dies auch aus den Zeugenaussagen, allein keiner konnte angeben, von 
wem diese Erweiterung ausging und wie weit der Lanzische Garten gereicht habe. 
Da aber diese Zeugen damals unter 14 Jahren standen, so ist dadurch kein civil- 
proceßordnungsmüßiger Beweis erbracht, daß die Erweiterung von der Stadt aus¬ 
ging und hiezu der Stadt gehörige Liegenschaften verwendet wurden. Vollends ab¬ 
geschwächt wird diese Beweisführung durch die von der Pfarrkirche beigebrachten Ur¬ 
kunden. Aus der Taxa vom Jahre 1658 geht hervor, daß der Anna Bromowsky'sche 
Garten an das „Begrebnus" anstieß, ferner, daß dieser Garten im unangefochtenen 
Eigenthum der Kirche war. Es wird von der Stadt selbst zugegeben, daß dieser 
Garten im Bereich der Parcelle 31 zwischen der heute noch bestehenden Begräbnis¬ 
kirche und dem später angeblich von der Stadt erkauften Lanzischen Garten gelegen
	        
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