Steckenbleiben des großen Angriffes bei Wolina
(23. bis 27. Oktober 1914)
Als die Nacht zum 23. Oktober vergangen war, verlangte der Divjsioncir Berichte von 23.10.
der Front, ob der Feind überhaupt noch auf dem linken San-Afer sei und im bejahenden Falle,
wo sich seine Stellungen und seine Artillerie befänden. Das Ergebnis der Rekognoszierungen
war recht enttäuschend. Nowa Wies, die Meierhöfe Wolina und Raclawice waren noch immer
fest in der Hand des Feindes, gut verschanzte Linien verbanden Nowa Wies mit der Graben-
stellung beim Meierhof Raclawice. Der Meierhof von Wolina beherrschte wie ein vorgescho¬
benes Fort den ganzen Angriffsraum der Gruppe GM. v. Schneider. Schon um 8 Ahr vor¬
mittags mußte Obst. Fischer dem Divisionär melden, daß ohne ausreichende technische und
artilleristische Borbereitung eine Weiterführung des Angriffes, der bisher schon so viel Blut
gekostet hatte, unmöglich sei. Bor allem mußte der Meierhof Wolina bezwungen werden, doch
hatte es sich gezeigt, daß die Batterie am Bahndamm den durch den Ort verdeckten Gehöften
des Meierhofes nicht recht beizukommen vermochte.
Die am Bortage gemachten Wahrnehmungen weckten indessen den Gedanken, daß die
Besatzung des Meierhofes in ihrer Mehrzahl froh sein würde, ihren vorgeschobenen Posten
verlassen zu können, ohne einer schweren Beschießung ausgesetzt zu sein. Sie würde vielleicht
in der Waffenstreckung eine ersehnte Lösung erblicken. Deshalb ordnete der Brigadier die
Absendung von Parlamentären in Begleitung eines russischen Kriegsgefangenen an.
Als Parlamentäre meldeten sich Korp. Doppelhofer und Gfrt. Wimmer der 13. Die
Nachbarabschnitte wurden verständigt, das Feuer einzustellen, sobald Generalmarsch geblasen
würde. Etwa um 2 Ahr nachmittags geschah dies, worauf die beiden Parlamentäre, jeder mit
einer improvisierten weißen Fahne, den Gefangenen in der Mitte, dem Meierhof zuschritten.
Zur selben Zeit zogen einige Regimentspioniere ein Geschütz vom Bahndamm ein beträchtliches
Stück vor, um es Ausschuß auf den Meierhof gewinnen zu lassen. Die russischen Kanoniere
nahmen dies bald wahr und nahmen die Gruppe sofort unter heftiges Feuer. Der Komman¬
dant Fldw. Walcher wurde schwer verwundet, doch Korp. August Höller übernahm an seiner
Stelle sofort die Leitung und sorgte für rasche Herstellung einer Deckung, als das Geschütz die
gewünschte Stellung erreicht hatte. Auch diese Arbeit stand unter Beschießung,' der Vorbild-
lich tapfere Inf. Franz Solomon wurde schwer verwundet.
In Spannung wartete man auf die Rückkunft der Parlamentäre. Weiter entfernte Teile
der Front, die nicht näher informiert waren, schwelgten in Gerüchten von der Anbahnung von
Friedensverhandlungen, doppelt verlockend, weil der kalte Nebeltag an die Nähe eines
beschweröereichen Winters mahnte. Wenn man bis dahin schon daheim sein könnte...
Mjr. Eckhel, der außerhalb der Deckung hinüberspähte, wurde plötzlich in den Fuß ge¬
schossen, gleich darauf stürzte Gfrt. Wimmer offenbar in wilder Flucht aus dem Gehöft, die
Russen schössen nach und verwundeten ihn schwer. Er konnte nur berichten, daß der russische
Kommandant die beiden Parlamentäre einfach als kriegsgefangen erklärt habe. Mjr. Eckhel
erteilte sofort den Befehl zum Weiterschießen, bevor er sich zum Berbinden zurücktragen ließ.
Lt. Mozina übernahm das Bataillonskommando, Lt. Stuppöck die Führung der 6. Kom¬
pagnie.
Ehe beim Regimentskommando das Mißglücken bekannt wurde, änderte sich die Lage
völlig. Während um 4 Ahr 30 nachmittags bereits die Weisung kam, den Angriff bis zum
nächsten Morgen zu verschieben, enthüllte die um eine Stunde später eingetroffene Disposition
des Divisionskommandos, baß die weiteren Aufgaben des XIV. Korps leider nicht gestatteten,
die bisher erzielten Erfolge auszunützen und den Feind bei Zarzecze mit ganzer Kraft zu be¬
kämpfen. Die Truppen der 15. Infanteriebrigade hatten sich bis Mitternacht zu sammeln: der
mit dem 18. Iägerbataillon verstärkten 5. Brigade oblag es fortab, den von der Division er¬
kämpften Abschnitt Raclawice—Westende Nowa Wies festzuhalten.
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