Volltext: Conrad von Hötzendorf

ANZIEHUNGSKRAFT DER FESTUNGEN 
Bezüglich der doch so notwendigen Grenzbefestigungen gegen 
Italien hatte Conrad auch mit Schwierigkeiten von seiten des 
Thronfolgers zu kämpfen, der bei aller militärischen Begabung 
wegen mangelnder Fachausbildung die Wechselwirkung zwischen 
strategischen Operationen und Befestigungsanlagen nicht voll 
übersah. Erst als es Conrad gelang, ihn an Ort und Stelle von 
dem Wert der Gebirgsbefestigungen zu überzeugen, wurde auch 
er ein warmer Förderer der Pläne Conrads — leider zu spät 
Hieher gehört auch der Zwiespalt, der sich zwischen der Ein¬ 
stellung Conrads zu Festungen im allgemeinen und der Rolle er¬ 
gab, die Przemysl im Kriege tatsächlich gespielt hat. 
Conrad hatte der Erhaltung der Lagerfestungen Krakau und 
Przemysl zugestimmt, obwohl er sich klar war, daß sie an Wert 
wesentlich eingebüßt hatten. „Sind sie (die Lagerfestungen) aber 
einmal geschaffen, so verleitet dies nur zu sehr dazu, sie immer 
wieder zu ergänzen, auch wenn sie ihrer Lage nach ihrem 
Zwecke nicht mehr zu dienen vermögen. Dies war auf dem 
galizischen Kriegsschauplätze mit Przemysl der Fall“, lautete 
seine Auffassung. 
Die Festung lag nach dem Aufmarschplan Conrads im Rücken 
der Armeen; sie diente somit nicht der Sicherung des Aufmar¬ 
sches und hätte auch eine offene Stadt sein können. Ihre Rolle 
konnte erst beginnen, wenn die Feldarmeen zum Rückzug ge¬ 
nötigt waren. Sie wurde nur erhalten und ausgestaltet, weil sie 
schon als Lagerfestung bestand und als gesicherter Depotpunkt 
bei einem möglichen Rückzug von Wert werden konnte. 
Conrad war als Leutnant eigens nach Olmütz gereist, um diese 
vielgerühmte Lagerfestung zu besehen, die im Jahre 1866 wider 
Erwarten gar keine Rolle gespielt hatte, weil sie die siegreichen 
Preußen auf ihrem Vormarsch nach Wien links liegengelassen 
hatten. Damals schon bildete sich Conrad ein Urteil über den 
Wert von Befestigungen im offenen Gelände und verwies in der 
Folge als Lehrer der Kriegsschule auf die gefährliche Anziehungs¬ 
kraft von befestigten Plätzen auf Freund und Feind. Anläßlich 
der Besprechungen des Deutsch-Französischen Krieges 1870 ver¬ 
trat er den Standpunkt, daß es niemals zur Kapitulation zweier 
großer französischer Armeen gekommen wäre, wenn die Festun¬ 
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