Volltext: Das Feuerwerkbuch von 1420

[69], das Salpeterrezept [66], die Pulverarten [72 bis 75], die Zunderbereitung [98, 99]. 
Für die Annahme mehrerer Verfasser könnte auch geltend gemacht werden, daß bei nur 
einem so mit den praktisch brauchbaren Kriegsmitteln bewanderten Bücbsenmeister nicht 
alle die auffallenden Kenntnisse und schwerwiegenden Erfahrungen auf chemischem Ge¬ 
biet, insbesondere z. B. über die Herstellung der Schwefelsäure und des „Schießwassers44, 
vorausgesetzt werden dürfen. Denn dem praktisch tätigen Handwerker -— und die Büch¬ 
senmacherei war damals ein ausgesprochenes Handwerk — sowie dem tapferen und 
todesmutigen Kriegsmann — und der Büchsenmeister war damals selbst in Friedenszei¬ 
ten auch Soldat und Krieger — liegen naturgemäß, ebenso wie heute noch, umfangreiche 
chemische Laboratoriumsversuche und schwierige wissenschaftlich-technische Überlegun¬ 
gen an sich fern. Die Verteilung des Ergebnisses der hier niedergelegten Arbeiten auf 
einen mehr chemisch begabten und einen hauptsächlich praktisch arbeitenden Verfasser 
ist demnach durchaus in den Bereich ernsthafter Erörterung zu ziehen. 
Andererseits führt dieser Gedanke vom Standpunkt der Praktiker wieder zu der fast 
sicheren Überzeugung, daß hier nur ein, allerdings sehr kluger, erfahrener und gewissen¬ 
hafter Mann ans Werk gegangen sein kann, wenn man nicht nur das kritisch beurteilt, was 
in dem Buch behandelt wird, sondern auch das, was darin nicht enthalten ist. 
Vielen Waffentechnikern damals und heute noch wichtig erscheinende Kriegsmittel sind 
im Feuerwerkbuch der letzten Fassung nämlich mit keinem Wort erwähnt, obwohl sie so¬ 
gar längst allgemein bekannt waren. Nichts finden wir darin, wie vorher schon gesagt, von 
Flinterladern, von „Totenorgeln4' oder Mehrlaufgeschützen, nichts von Schnellfeuerge¬ 
schützen, Revolverkanonen und Mehrladewaffen. Auch das ist offenbar kein Zufall, keine 
Nachlässigkeit und kein Versehen, sondern planvolle Absicht. Der mit der Praxis vertraute 
und sachverständige Verfasser hat eben, im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen, viel¬ 
fach mit alchemistischen Geheimniskrämereien und phantastischen Wunschträumen ge¬ 
spickten Werken, nichts seinen Berufskollegen vermitteln wollen, was er nicht selbst als 
bewährt im praktischen Betrieb, als brauchbar im Angriff und bei der Verteidigung aus¬ 
probiert hat. Dieser geniale, dabei nüchtern denkende und wirklichkeitsnahe Techniker 
hatte eben klar erkannt: die Hinterlader mit ihrem nicht gasdichten Kammerverschluß 
schadeten mehr, als daß sie nützten (tatsächlich ist bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts 
von ihrer kriegsbewährten Verwendung außer bei Schiffen so gut wie nichts bekannt!); 
mit dieser einsichtsvollen Erkenntnis scheint der Verfasser auch bei seinen Berufskollegen 
maßgebend durchgedrungen zu sein, denn der bekannte Büchsenmeister Hanns Henntz 
fügt seiner Handschrift (Q 342, e)1 sogar bis 1450 reichende Zeichnungen von Büchsen 
bei, von denen nicht eine einzige einen Hinterlader darstellt; bei den Mehrlaufgeschützen 
lagen ferner die Rohre entweder in ihren Lagern fest, dann schossen sie wegen mangeln¬ 
der Richtmöglichkeit vorbei, oder sie wurden mit einem Dreh- oder Schiebemechanismus 
1 Die Kriegsversuche Friedrichs des Großen mit Holtzmannschen Hinterladern (1740—1755) endeten mit restloser Verwerfung. 
König Friedlich Wilhelm I. hatte sich sogar über die Hinterlader des Kapitäns Holtzmann geradezu lustig gemacht. 
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