Volltext: Das Feuerwerkbuch von 1420

EntwicklungsstufenderHandbüchsen 
Im Gegensatz zum Geschütz änderte sich die Handbüchse nach Name, Art und Zündvor¬ 
richtung schneller und wesentlicher. Wenn die ersten Pulverwaffen noch keinen rech¬ 
ten Unterschied zwischen Geschütz und Handrohr erkennen ließen, aber infolge ihres 
kleinen Kalibers und geringen Gewichtes eher als Handwaffe angesprochen werden 
können, da sie nicht auf einem schweren Bett fest auf der Erde gelagert waren, sondern, 
an einem hölzernen Stab oder Stock befestigt, bequem von einem Mann getragen werden 
konnten (Bild 73), so sind die schnell aufeinanderfolgenden Arten der Handwaffe durch 
die Namen: Stockbüchse — Arkebuse — Muskete — Flinte grundsätzlich gekennzeichnet. 
Auch die Schäftung und vor allem die Zündvorrichtung gibt ein anschauliches Bild 
von der mannigfaltigen und raschen Entwicklung der Handbüchsen: Lunte — Lunten¬ 
schloß — Batterie-Steinschloß — Radschloß. 
Mußte sich das Geschütz schon gegenüber Armbrust und Bogen durchsetzen, so trat dem 
Handrohr noch als weiterer Konkurrent die Pike entgegen. Als 1507 in Deutschland die 
Armbrust als Kriegswaffe im allgemeinen abgeschafft war, konnte man das Verhältnis 
der Pike zur Muskete zahlenmäßig (in Frankreich auf 9:1, in Spanien auf 2:1) in Deutsch¬ 
land ungefähr noch auf 5:1 schätzen, und erst Mitte des 17. Jahrhunderts verminderte es 
sich auf etwa 2:3 und Ende des 17. Jahrhunderts auf 1:3 bis 1:2, bis die Pike — z. B. beim 
brandenburgischen Heer 1698 — gänzlich beseitigt wurde. 
Auch das Gewicht, das beim Geschütz zunächst sprunghaft zunahm und dann je nach dem 
Verwendungszweck in weiten Grenzen verschieden blieb, hatte bei der Handwaffe — ab¬ 
gesehen von der allerersten Zeit — die gleichbleibende Tendenz leichter zu werden, was 
freilich durchaus naheliegend war, um die Marschbelastung der Arkebusierer, die am 
Ende des 15. Jahrhunderts im französischen Heer Vio, im spanischen V3, im deutschen Ve 
des Fußvolks bildeten, der Musketierer und „Flintenierer“ — so hießen die mit der 
Flinte bewaffneten Soldaten noch im Dreißigjährigen Krieg — herabzusetzen. Das Ge¬ 
wicht sank ständig von 60 bis 20 kg beim Luntengewehr auf 8,5 und beim Steinschlo߬ 
gewehr 1740 auf etwa 5,7 kg1. Damit hatte sich auch seine Schußgeschwindigkeit verbes¬ 
sert, da man alle 3—4 Minuten einen Schuß abgeben konnte. 
Wenn sich auch das gedruckte Feuerwerkbuch nicht ausgesprochenermaßen mit den 
Handrohren oder ihren Entwicklungsstufen beschäftigt, so finden sich doch in den mit 
ihm in Zusammenhang stehenden Handschriften, besonders in ihren bildlichen Darstel¬ 
lungen, wertvolle Anhaltspunkte dafür. Aber in keiner anderen Handschrift sind der 
Handbiichse, und zwar hauptsächlich ihrer alten Form um 1400, so eindrucksvolle, meist 
farbige Abbildungen gewidmet wie in der Berliner 94 (alO)2. Deshalb und aus mancherlei 
anderen Gründen verdient sie besondere Beachtung. 
Schon rein äußerlich fällt es auf, daß sie in einem festen Einband mit dem Druck von 
1529 der „Vier Bücher von der Ritterschaft46 des Flavius Vegetius Renatus, also mit dem 
vorstehenden Erstdruck des Feuerwerkbuches, zusammengebunden ist. Auf dem Titel- 
1 Gustav Adolf hatte schon 1626 das Geivicht auf 5 kg vermindert. 2 Z. B. Bl. 156, 183, 209. 
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