Volltext: Das Feuerwerkbuch von 1420

Ferner die Säfte der Blumen, die Kräfte der heilenden Pflanzen, 
Die uns schicket der Nil, der weichliche Araber, ihr auch, 
Inder, uns schickt und die die neidische Schar unsrer Ärzte 
In ihren Schriften geheimhielt; dem Künstler errichte Altäre, 
Der die entlegenen Pfade am Ende der Welt Euch erschlossen, 
Der auch die Laufbahn der Sonne, den ewigen Wechsel des Mondes 
Führte vor Augen und wieder erstehn ließ viele der Männer, 
Die schon wollte vielleicht die Zeit in Vergessenheit tauchen. 
Denn: nimm dem Volke am Rhein, der zwiefach mündet ins Meer ja, 
Seinen Erfindergeist, und Naso1, der jetzt ist verbreitet 
Uber die ganze Welt, in schmutzigem Staube vergessen 
Ruht und fällt dann zum Opfer dem Fraß der gierigen Motten, 
Füttern wird er die Würmer, die scheußliche Pest aller Schriften. 
Auch von Fabius2 wird nur soviel übrig dann bleiben, 
Wie es erlaubt die Decke des kostbaren Einband’s der Schriften 
Und wie nicht vernichten die weihrauchnebelnden Mönche3, 
Nur soviel, als die Feder des tötenden Pfeiles4 es duldet, 
Tullius5 auch den Gebrauch des äußeren Scheines gewährt noch. 
Nicht wird dem Feuer entgehen der Ansiedler fern dort am Betis6, 
Wenn dafür ist die Schar, die an dem geschorenen Scheitel 
Freude hat, weil ja doch jener besingt im klingenden Liede 
Viel, was den Frommen nicht tragbar. Doch was erwähn’ ich die Leute 
Alle, die die uns geschenkte Religion, unsre teure, 
Meidet und überläßt dem wohlverdienten Geschicke! 
Auf der Hut woll’n wir sein vor ihnen so wie vor Leuten, 
Die da mischen das Gift in Honig! Im Grab würde ruhen 
Jener Kirchenvater7, schon längst von allen vergessen, 
Einst Dalmatiens Ruhm, weil ihm gebühret der Lorbeer 
Fast allein, drei Sprachen beherrscht zu haben, und jener, 
Den da Afrika nennt mit Stolz seinen Sohn8, dessen Munde 
Goldne Worte entströmen, nicht honigsüße; und jener9, 
1 Ovid, eines der glänzendsten Erzählertalente der Weltliteratur. 2 Der Lehrer der Beredsamkeit M. Fabius Quintilianus (35—95). 
3 Hierin liegt die Bestätigung eines Zeitgenossen für die Auffassung: ebenso wie auf dem Gebiet der Naturwissenschaft haben 
damals die Mönche und Orden auch auf dem Gebiete der Kultur unter Vernebelung des Tatbestandes entschieden, was als schäd¬ 
lich unterdrüdct und der Nachivelt vorenthalten und ivas vom Volk als wahr und groß geglaubt werden sollte. 4 In übertragenem 
Sinne: die Schreibfeder. 5 Tullius Cicero; gemeint ist: von Quintilian würde sich nur einiges auf die spätere Zeit retten, iveil man 
es für ciceronianisch gehalten habe. 6 Baetis ist der Guadalquivir; der Ansiedler ist wohl Martial. 7 Hieronymus, 335—420, be¬ 
herrschte die griechische, hebräische und kirchliche (lateinische) Gelehrsamkeit. Also nicht nur die von der Kirche als Schädlinge 
angesehenen, sondern auch die von ihr hochgeachteten Männer wären der Vergessenheit anheimgefallen. 8 Cyprianus, geb. 200 
n. Chr. in Karthago. 248 Bischof. 9 Origines dictus Adamantinus, 185—254; geb. in Alexandria, seit 211 öfter auf wissenschaft¬ 
lichen Reisen (Arabien, Syrien, Griechenland), Schüler eines Neuplatonikers (Platonismus in mystischer Form), 231 Haupt einer 
blühenden theologischen Schule in Cäsarea in Palästina, Mann von eisernem Fleiß und großer Willenskraft- 
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