Volltext: Das Feuerwerkbuch von 1420

einzugießen und statt der Pulverladung anzuzünden brauchte, war also ein Gemisch von 
Teeröl (Benzol), Salpetersäure, Salpetersalzsäure (Königswasser) und Schwefelsäure und 
ein gefährlicher Nitro-Explosivstoff ganz moderner Natur. 
Die zeitgenössischen Waffentechniker, die davon Kenntnis erhielten, schreckten, wenn 
sie für chemische Arbeiten Verständnis hatten und es etwa ausprobierten, vor seiner ge¬ 
waltigen Explosionskraft zurück, genau so wie die modernen Waffentechniker, nachdem 
1846 der Baseler deutsche Professor Schönbein die Schießbaumwolle erfunden und 
Sobrero 1847 das Nitroglycerin entdeckt hatte1. Die anderen aber schrieben es entweder 
verständnislos mit dem sonstigen Inhalt des Feuerwerkbuches ab, dann geriet es als 
nebensächlich bald in Vergessenheit, oder suchten selbständig hinter den Sinn der ihnen 
unklaren Lehre zu kommen, dann gerieten sie auf Abwege und erkannten nicht das 
Wesentliche. Manche, darunter die Franzosen, verwechselten den hier destillierten Sal¬ 
peter, die „Salpetersäure44, mit dem sonst oft genannten „Salpeterwasser44, der einfachen 
Salpeterlösung; manche klammerten sich an das „Wasser44 und bildeten ein „Schießwas¬ 
ser44 nach eigener Art, wie aus folgendem Beispiel erkenntlich ist2: 
„Nimm den Salzstein, der vom Läutern des Salliters geblieben ist, oder sonstigen Salz¬ 
stein, laß Kalk daraus brennen, schlag einen Filz darum, lade ihn in der Büchse unter das 
Zündloch, lade alsdann Pulver und Kugel darauf, alsdann gieß Wasser zum Zündloch hin¬ 
ein, so drückt das Wasser durch den Filz auf den Kalk, alsdann fängt der Kalk zu bren¬ 
nen an, zündet das Pulver auch an, und geht die Büchse ab. Schau aber, daß du dich bei 
der Büchsen nicht säumst, damit dir nichts widerfahre, denn es schnell angehet.44 
So kam es, daß der Verfasser des Feuerwerkbuches als Chemiker etwas offenbarte, was 
dem chemischen Verständnis seiner Zeit weit vorauseilte und recht bald in das Dunkel 
gänzlicher Vergessenheit versank. Und wenn es auch völlig abwegig ist, Nobel das Ver¬ 
dienst an der Erfindung des Dynamits abzusprechen, weil dieses schon im Feuerwerkbuch 
enthalten sei3, so kann man doch mit Romocki die hier mitgeteilte Erfindung des „Schie߬ 
wassers“ wohl unstreitig als eine der merkwürdigsten aller Zeiten bezeichnen. 
Den Schluß des Feuerwerkbuches bildet auffallenderweise eine wohl selbst jedem dama¬ 
ligen Techniker bekannte und geläufige Anweisung zum Härten von Eisen (100) mittels 
irgendwelcher Härtemittel. Wenn darin, daß sie an dieser Stelle steht, nicht ein reiner 
Zufall zu erblicken sein sollte, so kann die Frage aufkommen, ob auch darin ein Mittel 
zur Geheimhaltung liegen könnte. Ein unbefugter Leser, der nur schnell den Anfang und 
den Schluß überfliegt, wäre dann weit von der Annahme entfernt gewesen, daß wichtige 
Waffenlehren im Inhalt verborgen seien; und damit hätte dann auch der nichtssagende 
Schluß seinen Zweck erfüllt. 
1 VgJ. Quellen-Verzeichnis (1). 2 Berliner ms. germ. qu. 1188 (a 8), S. 89. 3 Wirtschaft und Arbeit, Mai 1941, S. 101, „Aus der Ge¬ 
schichte des Sprengstoffes“. 
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